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Zevious "After the Air Raid" (Cuneiform Records 09/2009)
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Jeder Nachwuchs macht seine Sache anders als sein Vorgänger. Das muss so sein. Selbst, wenn die nachfolgende Generation Stilmittel ihres verehrten Vorgänger/Vorbildes nutzt und die von dessen Vorgänger ebenfalls. Zevious sind Fans des Mahavishnu Orchestras, damit sind sie nicht allein, alle unsere Augen schauen, Brüder unter Gleichen, gespannt auf die Noten der Band, neugierig still und aufmerksam auf den Sound lauschend, der uns unter dem großen Banner des über alles geliebten Jazzrock-Orchesters als neuer Diener vor dem Sound angeboten wird. Cuneiform hat's veröffentlicht - das kann doch nur gut sein!
Ist es auch. Aber anders. Zevious sind Mike Eber (g), Johnny DeBlase (b) und Jeff Eber (dr), sie sind jung und mit vielen Wassern gewaschen. Und sie spielen ihren elektrischen Jazzrock heftig, hart, energiereich und leidenschaftlich. Und, wie so viele ihresgleichen, im Mix aus Mahavishnu-Jazzrock und elektrischem Neo Bop, was Ende der Siebziger Anfang der Achtziger dem schließlich gern gehassten Jazzrock als Alternative folgte und nicht auf rockharte Heavyness setzte, sondern auf softe Schmusigkeit. Nehmt die softe Schmusigkeit raus, setzt rockharte Heavyness ein - und ihr habt den Neo Bop, den Zevious machen. Post-Jazzrock mit irrer Punk-Attitüde, harscher Radikalität und melodisch atonaler Derbheit. Kommt gut, geht sofort ins Blut, hat aber längst nicht den Abwechslungsreichtum, den das große Vorbild einst locker aus dem genialen Ärmel schüttelte.
Zevious haben 11 Songs auf ihrer CD, komplexes, heftiges Zeug, Jazz im klassischen Rocktrio, knochig und wild, und in aller Leidenschaftlichkeit von einer erwachsenen Nüchternheit, dass der Sound sofort als heutig, als aus dem Post-Rockzeitalter erkennbar ist.
Alles ist gut, was das Trio tut. Die Soli sind innig und inspiriert, vital und melodisch abstrakt, die Begleitung bleibt nie Begleitung, alles "arbeitet", spielt sich die Finger wund, der Bassmann ist wohl die erdigste Position im Verbund, macht den fetten, fast metallischen und fast metallisch harten Background mit seinen fetten Megariffs, über denen die verrückte Schlagzeug-Gitarren-Connection ihre wilden Tänzchen aufführt.
Nichts ist langweilig, der Sound bebt und lebt, hat Energie und gesunde Blutkörperchen, das durch fettfreie Blutbahnen flitzt, als wäre es die Autobahn. Das junge, gesund aussehende Trio ist das große Instrumentalkunstensemble, das alles kann - aber nicht die große Kunst hat, Songs wie das Vorbild zu schreiben. Manche Idee scheint so stark inspiriert, dass John McLaughlins Schweiß zu riechen ist, wenn der Gitarrensound beider Gitarristen auch kaum verwandt ist.
Sobald Bassmann Johnny DeBlase sich seinem akustischen Stehbass zuwendet und die Jazzlandschaft wie akustisches Heavy Metal klingt, das gerade vom Tode auferstanden ist und am liebsten die ganze Erdbevölkerung umbringen will, auf einen Schlag, soviel zuviel Energie hat es, klingt's, wird es besonders. Das Trio hat plötzlich mehr Eigenständigkeit und mehr Besonderheit. Die Bop-Betonung fällt ab, die Jazzrock-Betonung wird, obschon die Band akustischer klingt, paradoxerweise energischer und lebendiger und alles bebt und tobt. "That Ticket Exploded" nicht allein ist genial. Plötzlich wird die Band sympathischer, nahbarer, ihr Sound greif- und erkennbarer, und die folgenden Durchläufe machen die gesunden Frischevitamine ihrer Songs auf, die in den Körper schießen wie einst die wunderbaren Rauchpartikel der abgelegten, Scheiße, Pardon, Rauchwaren.
Kann man durchaus haben müssen.
zevious.com
myspace.com/zevioustrio
cuneiformrecords.com
VM
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