ZAAR "ZAAR" (Cuneiform Records 2006)

Wow! Was für ein abgefahrenes Zeug! Zaar, aus der Asche der jungen und schon wieder dahingeschiedenen Sotos entstanden, spielen atonalen, avantgardistischen, introvertierten Freerock der Marke King Crimson (1973). Das hat viel Jazz und Psychedelic im Blut und klingt so ungewöhnlich, wie es instrumentiert ist.
Von Sotos übrig geblieben sind Yan Hazera (g) und sein Bruder Michael (dr, perc), die dort weitermachen wollten, wo sie mit Sotos stehen geblieben waren. Pairbon am Bass beziehungsweise Kontrabass und Cosia an dem seltsamen Instrument Vielle à Roue, auch Hurdy Gurdy genannt, machen das Line-Up voll. 9 instrumentale Kompositionen hat die CD drauf, zwei fast 20-minütige Tracks und 7 kurze Stücke.
Die Songs sind schön komplex, extrem heftig gespielt und melodisch teilweise atonal, was vor allem am wilden und abgedrehten Klang der Hurdy Gurdy liegt. Das Instrument stammt aus dem Mittelalter, hat einige Saiten, Tasten und ein Rad zum drehen, so obskur das sich hier liest, ist auch der Klang des Instrumentes. Ohne Zweifel kann man damit foltern, somit ist die Hurdy Gurdy ihrem Ursprung ganz treu geblieben. Es gibt keine klaren Töne, sondern einen Mix aus gepressten und gequetschten Tönen zu hören, melodisch sind die Töne nicht festgelegt, die losen und unwillkürlich klingenden Harmonie machen einen extrem "schrägen" und ausgefallenen, wilden Eindruck. Das ist wohl nix für Einsteiger, die mal eben atonalen, avantgardistischen Progressive Rock testen wollen. Für Freaks jedoch, die schon einiges Abgefahrene geschluckt haben und immer noch rosig aussehen, dürfte die Platte ein wahrer Leckerbissen sein.
Mal abgesehen von der unberechenbaren Hurdy Gurdy, die sich im Laufe des Albums auch deutlich gemäßigter zeigt, arbeitet die Band komplexe Ideen sehr vital aus. Akustische Gitarre, Kontrabass und Schlagzeug mit ein wenig Hurdy Gurdy im Off können malerische Harmonie schaffen (Ce n'est pas triste). Zumeist jedoch arbeitet sich die elektrische Band durch crimsonesk verseuchte Gebiete, die sie ausgezeichnet und in jedem Fall besser als die Vorgängertruppe Sotos meistert. Wo Sotos gut waren, sind Zaar besser. Im Opener "Sefir", der genau 19.52 Minuten lang ist, malträtieren ZAAR nach dem hübsch nervenden Hurdy Gurdy Intro mit den Extremen von King Crimson, dabei kommen sie dem Vorbild erheblich nah, es fehlt nicht viel und die Jungs sind plötzlich mitten in "Fracture" statt in ihrem eigenen Material.
Aber das ist nur eine momentane Nähe, der Opener entfernt sich wieder vom Motiv des Vorbildes und jagt durch die Abgründe der avantgardistischen Rockmusik, wobei auch mal am Ideal von Univers Zero, Present, Magma und Artverwandtem gekratzt wird. Noch um einiges beeindruckender ist "Omk" (17.16 Minuten), der Track braucht seine Zeit, das Motiv aus dem wilden Intonieren zu schälen. Der Kontrabass ist begnadet grandios! Gitarre und Schlagzeug klingen, als sei die Musik unendlich logisch und endlich entdeckt und eingespielt worden, die Hurdy Gurdy (oder das Hurdy Gurdy?) illustriert zwischen den Zeilen den atmosphärischen Background mit Quietschen und Kreischen, dem Klang einer Kreissäge verwandt, aber auch mit einer Facette, die an ein Harmonium erinnert und an die Freakigkeit, die Amon Düül II in ihrer abgedrehten ersten Phase anschlug - und dann wird, nach über 10 Minuten, ein harmonisches Motiv aus dem Stück, nach einem Hurdy Gurdy Solo und motivischen Schlenkern. Das Schlagzeugspiel Michael Hazeras ist, mit Verlaub, schweinegeil, der arbeitet und arbeitet und hält nicht still, während alle drei Saiteninstrumente ihm den Background harmonisch anstreichen. Was für eine Intonation!
"Normalstes" Stück ist "Scherzo # C", das noch einmal crimsoneskes Gedankengut aufnimmt und durch den Zaar-Wandler schickt. Grandios! Das Debüt der jungen französischen Band ist melodisch schwer verdreht, hat einen hohen Erfahrungswert und unglaubliche Spannung, es bleibt stets überraschend und nichts ist gewöhnlich. Musik für Träumer und Liebhaber, ihr wisst, dass ich euch meine. Ich hatte Tränen in den Augen.

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VM



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