Bob and Ellen Weller with Mark Dresser "Point of Contact" (Circumvention Music 2008)

Bob und Ellen Weller sind inspirierte Musiker mit einem hohen Grad an Intuition. Sie spielen im Feld der freien Improvisation kreative, spontane Kompositionen. Ihr Handwerk ist in Jazz und Klassik ausgebildet.
Die 15 Tracks auf ihrer neuen CD "Point of Contact" sind dem 2007 verstorbenen Bläser Michael Brecker gewidmet. 4 der Stücke entstanden in Zusammenarbeit mit dem bekannten Jazzbassisten Mark Dresser (u.a. John Zorn), alle Songs jedoch sind als vom ganzen Trio komponiert angegeben.
Bob Weller spielt Piano und 'prepared' Piano, Ellen Weller Flöte, Sopransaxophon, Klarinette und weitere Blasinstrumente. Obschon die Stücke sehr abstrakt und bisweilen atonal sind, gibt es keine harschen Sounds wie im Free Jazz zu hören. Das Trio hat ein ausgesuchtes Faible dafür, ihre impulsiven, rasanten und spannungsreichen Kompositionen lyrisch und sinnlich zu spielen, ohne sentimental zu werden.
Irgendwo in der großen Weite zwischen Avantgarde Jazz und Neuer Musik sind die Stücke zu Hause, weder gibt es eine besondere Nähe zu dem, was Jazz im Allgemeinen ausmacht, noch legt das Trio, dazu ist es zu frei und unabhängig orientiert, sich auf die auch handwerkliche Strenge Neuer Musik fest.
Dennoch ist Weller, Weller und Dresser ein erstaunlich ernsthaftes Werk gelungen, gerade was die melodisch-dynamische Pianoarbeit betrifft - ist das reine Improvisation? Dressers Part in den vier Stücken ist der jazzigste Anteil der CD, seine Spielart ist von allen Dreien die Emotionalste. Wenn er spielt, zieht er die beiden Wellers mit sich und die Struktur der Kompositionen wird frei und virtuos lebhaft (ohne besonders atonal oder disharmonisch zu werden).
Jeder einzelne Ton ist ausgezeichnet zu hören, der Klang der Aufnahmen besonders gut, selbst in emotional aufgebrachten Momenten, wenn die Drei stürmisch und mit Humor durch z.B. "Concatenation" gehen, ist der Druck der Radikalität leicht auszuhalten.
Die Musiker vor ihren Instrumenten sind phantasievolle, Dramatik und Lyrik intuitiv ausschürfende Geister mit großem handwerklichem Geschick. Das macht "Point of Contact" zu einer besonderen, grandiosen CD.
Persönlich gefällt mir das 3-minütige Flötensolo in "Mandelbrot" am besten. Ellen Weller geht bis an die physische Grenze, ihr immer stärker zu hörender Atem ist ebenso Teil der Performance wie der Klang der Flöte an sich. Ein irre abstraktes Stück, das enorm Emotion hat und in seiner Schwindel erregenden Steigerung magisch beunruhigt.
"Point of Contact" ist eines der guten und wichtigen Beispiele dafür, warum im Jahr 2008 überhaupt noch Musik gehört werden sollte.

wellermusic.com
circumventionmusic.com
VM



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