The Web "I Spider" (Polydor 1970/Esoteric Recordings 2008)
Samurai "Samurai" (Greenwich 1971/Esoteric Recordings 2008)

Warum diese beiden Reissues in einer Review? Samurai ist quasi die gleiche Band wie The Web. Nachdem The Web ihren amerikanischen (und schwarzen) Sänger John L. Watson gegen Dave Lawson austauschten, der zudem Keyboards spielte (und später zu Greenslade ging), wechselte die Band den Namen.
1968 als John L. Watson and The Web als Soulband gegründet, folgte noch im ersten Jahr die erste Schallplatte, die mit "I Spider" nichts gemein hat. Der Mix aus Soul, orchestriertem Pop, modernen Psychedelic Sounds und Clubjazz schielte auf "Fully Interlocking" auf das seriöse Publikum, und auf die Charts. Zwar war auch diese Platte ambitioniert und fand, vielleicht wegen ihres Humors, ihre Fans. Noch zwei Jahre später bauten The Web mit "Theraphosa Blondi" ihre poppige Seite aus, wenn der Jazzanteil auch größer war und die instrumentale Ausarbeitung komplexe Strukturen offenbarte.
Erst mit dem Ausstieg Watsons und Lawsons Einstieg wechselte die Band ihren musikalischen Charakter stark. Dave Lawson schrieb sämtliche Songs für "I Spider", ebenso die Texte. Die 5 Songs sind entfernt mit Colosseum vergleichbar, eventuell noch mit King Crimson, um etwaige Parallelen zu finden. Nichts hier ist mehr Pop, die Band spielt ausgiebigen, exzellenten Progressive Jazzrock. Keyboards, Gitarre, Vibraphon und Bläser bauen das instrumentale Geschehen grandios aus, auf exzellenter Rhythmusbasis. Allein der Rhythmus ist ein Grund, sich diese einzigartige LP, jetzt CD, zuzulegen. Der melodische Aufbau mit seinen jazzigen Gesangslinien, harmonischen bis ungemein verzwickten Komplexpartien, entspannten Jazzläufen auf vitaler Rockstruktur ist grandios.
Die CD wird vom 10-minütigen "Concerto for Bedsprings" eröffnet. Dave Lawsons warme, volle Stimme kommt hier meines Erachtens noch besser zur Geltung als bei Greenslade, der Jazzanteil der Gesangslinien ist stärker, die Band nimmt sich in den Vokalparts stark zurück, gibt ihrem Sänger großen Klangraum, den er hinreißend auszufüllen weiß.
Ein Jahr später bereits legte die Band unter dem Namen Samurai ihre gleichnamige - und hier einzige - LP vor. Stilistisch hatte sich wenig getan. Wieder hat Dave Lawson Texte und Kompositionen geschrieben. Einen langen Track wie auf dem Vorgängerwerk gibt es nicht, die sieben Songs machen knapp 37 Minuten voll.
Wieder ist Lawsons Gesang einzigartig. Bläser, Gitarre, Keyboards und Vibraphon bauen die dynamischen Instrumentalparts zwischen melancholischem Weltschmerz und aggressiver Lebenslust aus. Nur Freude, diesen abstrakten, kernigen Songs zuhören zu dürfen. Leider blieb es bei dieser einen Platte. Dave Lawson wechselte anschließend zu Greenslade, heute arbeitet er für das britische Fernsehen.
Beide Alben waren in Japan bereits auf CD wieder veröffentlicht worden, die Auflagen sind bis auf eventuelle Reste längst ausverkauft. Die Songs beider Alben wurden digital remastert, jede CD hat ein informatives, inhaltsreiches Booklet mit Story und Bildern, was die japanischen Reissues nicht haben.
Jedoch waren auf der japanischen Samurai-Auflage 5 Bonustracks enthalten, die neue CD-Auflage von Esoteric Recordings hat keinen Bonus. Die Tracks stammten von einem Konzert in Schweden, das 1971 aufgezeichnet worden war und einen sehr guten Sound hat. Zwei dieser Songs sind nunmehr auf dem neuen The Web - Reissue enthalten - zwar waren sie damals bereits unter dem Namen Samurai gespielt worden, stammen aber alle im Original von The Web's "I Spider". Die restlichen drei Livetracks sind leider nicht enthalten. Sammler müssen nun wohl alle vier CDs ins Regal stellen. Der Sound der neuen Produktionen ist deutlich besser als der der japanischen Auflagen. Doch wo damals Bonusminuten glänzten, gibt es hier nichts Entsprechendes - dafür aber die wunderbaren, informativen Booklets.
Also, spricht Dieter van Gelder, testet diese brillanten Alben unbedingt. Es lohnt sich!

esotericrecordings.com
VM



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