Michal Urbaniak "Live In Holy City" (SPV Poland 1996)

Diese Aufnahme hat zwar bereits einige Jährchen auf dem Buckel, doch ist sie meines Erachtens aufgrund ihres "Crossover-Charakters" noch immer wegweisend im Bereich der zeitgenössischen orchestralen Musik. (Um etwaigen Missverständnissen vorzubeugen - die CD wurde in Rom mitgeschnitten; schließlich gibt es je nach Religionszugehörigkeit bzw. Glaubensauffassung verschieden(st)e heilige Städte.) Allein die Liste der Mitwirkenden macht den wahrhaft "progressiven" Hörer neugierig: Neben dem Geigen- (und Saxophon-)Virtuosen der 70er und 80er Jahre, Michal Urbaniak, der sich vor allem in der Fusionszene einen Namen machte (unter anderem Billy Cobhamīs GlassMenagerie) sind dies der Bassist Marcin Pospieszalski, der Schlagzeuger Michal Dabrowka, der Pianist Leszek Mozdzer, der Rapper Solid sowie das Czestochowa Symphony Orchestra unter der Leitung von Jerzy Kosek. Sie alle begeistern durch eine äußerst vitalisierende Darbietung der Kompositionen von Michal Urbaniak. Der erste Titel "Walcoberek" weist ein flottes Tempo auf und besitzt sogar Hitpotential im besten Sinne - er könnte durchaus auch vom fabelhaften Fugato Orchestra stammen, dessen Stücke ähnlich angelegt sind: Changierend zwischen "Klassik", Jazz und osteuropäischem Folk, gewürzt mit dezenter Melancholie - besser geht es eigentlich kaum! Das nächste Stück "Donīt Do It To Me" ist noch wehmütiger, gepaart mit starken neo-romantischen Zügen, wohingegen "Krakus" wieder etwas mehr in die Kerbe von "Walcoberek" schlägt, allerdings ohne Beteiligung des Schlagzeugs. "Serenada" besitzt balladesken Charme und würde sich als Filmmusik hervorragend anbieten. Als modernistische Elegie, bei der die Geige Michal Urbaniaks den vokalen Part übernimmt, kann "Manhattan Man" gelten; allerdings steigert sich der melodische Fluss nach dem "Moldau-Prinzip" zu einem Tränen-Fanal, denn nach ca. 4 Minuten setzt die Rhythmusgruppe ein und verleiht dem Stück durch ternäre Phrasierung ein feuriges Flair. "Polak" wirkt durch seine Synkopen regelrecht funky; der Symphonic Funk ist geboren. ("Symphonics canīt play Funk at all" argwöhnen S(k)eptiker - diese Behauptung wird mit solcher Musik eindrucksvoll widerlegt!) Bei den letzten drei Titeln "Urbanate The Area", "Jazzorap" und "Mystery Of Man" kommt endlich Solid zum Einsatz. Während die beiden ersten Gesangs-Nummern lupenreinen Symphonic Rap (Ja, so etwas gibt es - unglaublich, aber wahr!!!) darstellen, kann man letztere - geschrieben von Marcin Pospieszalski und getextet von Gene Lees - als unter die (Gänse-)Haut gehende Ballade bezeichnen. Solid gibt hier eine mehr als solide Vorstellung; Spoken Word Performance at itīs best! Resümierend lässt sich feststellen: Operation geglückt - nur der Patient macht seinem Namen keine Ehre, wartet er doch ungeduldigst auf die nächste CD mit solch Klasse-Musik. (Ohrale Dosis: Dreimal täglich.)

Frank Bender



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