Tuner "Pole"
Moonbound "Confession And Release"
(Unsung Records, VÖ: 03.10.2008)

Tuner arbeiten, oh ja!, im Erbe von King Crimson. Der letzten Inkarnation des langlebigen Dinosauriers, der sich stets neu zu erfinden weiß und in seiner letzten Besetzung, die mehr oder weniger noch immer aktiv ist, weiter in die Zukunft aufbricht, als jede andere Besetzung um Robert Fripp zuvor. Und stets waren King Crimson progressiv.
Tuner sind Markus Reuter (Centrozoon), der Touch Guitars und Keyboards spielt und Pat Mastelotto, der quirlige und stilistisch eigenwillige amerikanische Trommler von KC, der neben seiner quirligen, lebendigen Rhythmusarbeit spoken words in den Sound mixt und der ambienten Lautmusik zu Innerlichkeit und Gelassenheit verhilft.
Mit diversen Gastmusikern arbeitet das Duo, darunter etlichen Sängerinnen, deren Stimmen erheblich Popappeal und Lieblichkeit ins Spiel bringen. Zuerst muss die grandiose Vibraphonistin Laura Scarborough genannt werden, die den drei besten, wie sonst, Songs geniale Züge mit ihrem klare, große Töne erzeugenden Instrument beigibt. Sehr gute Wahl, Instrument wie Musikerin! Nicht weniger beeindruckend die Kunst der Theremin-Spielerin Pamela Kurstin.
Mastelotto bricht die Rhythmen auf seine unnachahmliche Weise, dieses Mal akustisch. Niemals klingt er dabei an historische Parallelen angelehnt, selbst wenn gar Klänge in die Songs geraten, die aus der ersten Phase seiner Hauptband stammen könnten. Sind das Mellotron-Samples im Off? "Pole" hat nicht nur, aber vor allem rhythmische Wucht. Wie er den Gesang betont, mit fettem Drumming und fragilen Schlägen für zurückgenommene und (quasi sexuell) erregte Arrangements sorgt: alle Achtung! Gut gedacht, gut gemacht. Markus Reuter kommt ebenso überraschend ins Spiel. Seine harmonischen Verquickungen und soundtechnischen Entwicklungen machen die Songs erst zu dem, was sie sind. Die Touch Guitar zeigt sich stark vom KC-Chef Robert Fripp beeinflusst, dem wohl manches Arrangement zu verdanken ist, bzw. der sich seinen beiden Tuner-Jüngern in die Gene geschrieben hat.
Aber Tuner machen keine plakativen Plattitüden, sie spielen nicht nach. Sie entwerfen neu. Nehmen dafür alte Sounds und bauen sie radikal in ihre energischen, vertrackten 15 Stücke ein.
Bester, unerreichbarer (?) Track: "11-11". Über 10 Minuten hat das in seine Idee verliebte Duo den Song ausgeweitet und ihm ungeahnt begnadete Facetten gegeben. Das Ergebnis ist wahrhaft fortschrittlich!
Spätere Songs haben nicht immer die Genialität, die das Duo hier zu erschaffen wusste. Einiges ist zu poppig, anderes zu sehr auf die weiblichen Erotik-Vocals orientiert, doch immer wieder kochen Tuner hoch, präsentieren ihre künstlerische, experimentelle und sehr mutige Extravaganz.
Eingespielt wurden die 15 Tracks bereits Ende 2005 bis Februar 2006 in Mastelottos Bude in Austin, Texas, USA. Die Arbeit der Gesangsdamen wurde, vermutlich, später und anderen Orts eingemixt.
Noch einmal: beeindruckendes, kunstvolles, extravagantes Stück Rockmusik.

Beide Tuner-Musiker, Pat Mastelotto und Markus Reuter, sind Hauptgäste in dem Solowerk des Italodeutschen Bassisten und Produzenten Fabio Trentini (H-Blockx, Subway To Sally, jede Menge weiterer Projekte), der sein Album "Confession And Release" unter dem romantischen Bandnamen Moonbound einspielt hat. Das Cover, vorweg, ist gigantisch. Bild, Passepartout, Schrift, Atmosphäre, seht es euch an. Traumhaft, oder?
Der Opener ist schlicht falsch gewählt. Die 12 liedhaften Poprocksongs haben Ecken und Kanten, dieser aber, mit seinem betont markanten Refrain, dem steten "Nina", drückt den Popstempel zu fett auf. Andererseits ist damit schnell das Publikum gefunden.
Viele faszinierende instrumentale Ideen sind in die fabelhaft gespielten Songs eingegangen. Harmonische Wendungen, melodisch süchtig machende Partien, Breaks und Spurwechsel. "Confession And Release" ist mehr als ein simples Popalbum. Hier passiert einiges, was Musikfreaks bannen kann. Doch zuviel, was sie ablenkt. Alles ist um den Gesang manifestiert, und den singt Fabio Trentini stets sehr eingängig. Das geht schnell ins Ohr, flott transportiert von der perfekten Band. Macht das Ohr jedoch satt, dass kein schnell nachwachsender Hunger diese Platte wieder genießen will.
Für Freunde popmusikalischer Eingängigkeit große Erfüllung ob der vielen, auch von späteren Genesis inspirierten Ideen. Zuwenig instrumental für die Kunstfraktion.

tunerband.com
moonbound.net
unsung-records.com
justforkicks.de
VM



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