Trojan Horse "World Turned Upside Down" (Bad Elephant Music 2014)


Das trojanische Pferd hörte sich eine Menge Zeug von King Crimson, Jethro Tull und Yes an, holte die 1970er zurück, schnipselte an 20 Minuten langen Keyboardsoli herum, fand sich gefangen in gebannter innerer Auflösung, ausgesetzt den historischen Klängen und startete zum Schneeballeffekt, indem es eine Menge Krach in manch wunderbare Gestalt brachte. Daneben putzte es sich die Zähne und pflegte den Kühlschrankinhalt mit frischen Lebensmitteln.
2010 und 2011 versuchte die Band sich bereits einmal, doch das waren, in Anbetracht dieses dritten Songreigens, nur Proben.
Nicholas Joel Duke (voc, g, keys, perc), Lawrence Salvador Duke (voc, b, g, perc), Eden Ellis Duke (voc, synth, b), Richard Guy Crawfod (Duke) (dr, g, voc) und Danny the Red (Duke) (dr, synth, g, voc, perc) sind die Earls of NeoAvant, was schon verwandtschaftlich hinhaut, einer der Duke-Bande, wenn auch nur als Gast dabei, nennt sich Kavus Torabi, hat Arbeitsplätze in Guapo und Knifeworld eingenommen, schob die schöner und älter gewordenen Herren in Cardiacs und Gong an und zieht vermehrt wohlmeinende Hoffnungsblicke auf sich, weil so mancher Avant Prog Süchtige erkennt, dass dieser Name leuchtend über der Zukunft der (milden) progressiven Avantgarde steht.
Hier, in "World Turned Upside Down", ist die Avant Prog - Zukunft bereits eröffnet. Da sind Parallelen zu (und Reminiszenzen an) Thinking Plague, Knifeworld, den abgedrehten Alles-Reigen von Chrome Hoof, Jazz-Artiges, Punk-Artiges, Folk-Unartiges, schräg Psychedelisches und allerhand unerkannt Namenfreies zu finden und hören, in eigenwillig besonderer Weise angerührt, dass nur zu hören und staunen bleibt.
Ganz gewiss wird das 13 Songs und 57:35 Minuten umfassende Album für Überraschung, Verblüffung und Schmunzeln sorgen. Die Dukes beweisen, Briten!, den besonders abgedrehten Sinn für Humor bei jeder sich bietenden Möglichkeit, können balladeske Lyrik wie einst die Beatles und schräges Draufhauen wie im aktuellen Avant Prog. Gleichzeitig haben ihre Songs hochmelodische Struktur, so ist vor allem im Gesangsbereich der sanfte Jungsfaktor ausgebaut. Klar doch, die wollen von Liebsten erobert werden. In aller anarchischen Attitüde ist mit viel Augenzwinkern und trotz der Abgefahrenheit songdienliches Basiswissen ausgebaut.
Nichts ist gewöhnlich, keine Songstruktur altbekannt. Was hier gekocht wird, hat eigenen, britisch speziellen Charakter. Wenn auch, gewiss, die Merkmale der progressiven Rockmusikkunst überall auftauchen, wie sollte es anders sein.
Wer sich überraschen lassen möchte, im gefühlten Erbe von Gentle Giant, schrägst eingängiger Avantkultur und mal psychedelischem, mal abgefahren rockendem, dort punkpoltrigem, hier lyrischem und stets anarchisch humorverseuchtem Progressive Rock der hoffentlich in dieser Art möglichen Zukunft, lausche: Trojan Horse "World Turned Upside Down".
Wer mit dem letzten Track "Fire! Fire!" beginnt, kriegt einen Überblick auf Speed. Und die Cardiacs liegen im Gartenstuhl und grinsen.

trojanhorseuk.com
justforkicks.de
VM



Zurück