Diverse Interpreten
"Tribut an Ougenweide"
"Merseburger Zaubersprüche"
(Emmuty Records 2010)

Ougenweide war (und ist noch) eine deutsche Folkband mit starkem Fokus auf mittelalterliches Liedgut. Vor einigen Jahren sind einige (oder alle?) ihrer alten Alben auf CD veröffentlicht worden - 2 LPs auf je einer CD. In der bunten Mischung der LP-Sammlung meiner Herkunftsfamilie war das Liederbuch zerfleddert und abgenudelt enthalten, immer wieder wurde an sonntäglichen Nachmittagen die Platte hoch und runter gespielt. Später vergaß ich die Band. Doch mit den beiden Samplern "Tribut an Ougenweide", das 18 Tracks enthält und knapp 74 Minuten lang ist sowie dem 7 Stücke fassenden, etwas mehr als 20 Minuten langen "Merseburger Zaubersprüche" kommen die Erinnerungen wieder hoch.
Etliche Bands huldigen ihrem Vorbild mit ihren Versionen, oftmals sehr nah am Original gehalten, in einigen Fällen deutlich abweichend. Der Unterschied ist stets deutlich. Ougenweide waren Teil der progressiven Szene, ihre Songs sind verspielt, komplex und aufwendig arrangiert und gespielt, die Coverversionen sind überwiegend geglättet oder dem heutigen Zeitgeist nahe. Die instrumentale Verspieltheit ist viel weniger ausgeprägt, die Stücke sind liedhafter und eingängiger, stärker auf Gesang orientiert. Das waren Ougenweide auch, aber ihre Arrangements haben größere Weite und Dichte, die Neuversionen ihrer Jünger passen auf den Mittelaltermarkt, in die Kneipe, nicht in den Konzertsaal. Dabei sind die Neuinterpretationen überwiegend nicht weit vom Original entfernt, doch der Zeitgeist ist heute ein anderer.
Wenn Ougenweide sich als Teil der progressiven Folkszene verstanden, haben die heutigen Interpreten dazu gewiss keinen Zugang oder wissen kaum etwas davon. Ihre Intention ist pure Unterhaltung, das Lied fesch und cool ans Auditorium zu bringen. In "Der Rivale" von Van Langen ist das überdeutlich, da wird der Song mit schneidender E-Gitarre zugedeckt, nicht schlecht, nett anzuhören und klar, unterhaltsam, aber längst nicht so überraschend oder reich wie das Original.
Und doch machen beide CDs einen guten Eindruck, geht die überwiegend nachdenkliche, melancholische Atmosphäre der balladesken Songs gut ein, sind Stimmen und Instrumente in kraftvollen Arrangements zu hören. Wenn "Merseburger Zaubersprüche" auch nur sehr kurz ist, überrascht die Klangfülle dennoch. Das Original bleibt unübertroffen, wie könnte es anders sein, und wer Ougenweide und nur Ougenweide hören will, braucht nicht mehr als die originalen Alben. Für Freunde von Minne, Rock & Zaubersprüchen sind diese Alben dagegen empfehlenswert und deutlich besser als vieles, was auf den jährlichen Mittelaltermärkten von nicht stets hochkarätigen Bands angeboten wird.

emmuty.de
minnesang.com
VM



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