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Tribute
"Breaking Barriers" (1987 Heavenly Heights / Sireena Records 28.06.2013)
"Live" (1987 Heavenly Heights / Sireena Records 01.08.2014)


Es war noch vor Mitte der 1990er Jahre, als ich "Breaking Barriers" als LP das erste Mal in Händen hielt. Ziemlich runtergekommenes Exemplar. Von der Band war mir vorher nie etwas zu Ohren gekommen, mir war nur Pierre Moerlen ein Begriff, durch Gong. Als Vibraphon- und Marimba-Fan kam die LP in meine Sammlung und - enttäuschte mich. Zwar war hier partiell die Musik zu hören, nach der ich auf der Suche war. Aber daneben viel seichtes, kitschiges Zeug, das in meinen Ohren Pop genannt in die verhasste Schublade gesteckt wurde. Im Laufe der Zeit gewöhnte ich mich an die 7 Songs, von denen ich vor allem den letzten Track auf der zweiten Seite mochte - hier waren die Mallets im Einsatz, wie ich es mir vorstellte.
Damals kannte ich Charly Heidenreichs Katalog noch nicht (der kam mir erst 1995 vor Augen). In der 12-bändigen ‚Rock-LPs' - Buchreihe waren weitere Alben aufgelistet, aber finde die mal. Alben einer Band, die sich ‚Tribute' nannte. Die meisten Second Hand Läden (damals gab es das noch vielfach) konnten mir nicht weiterhelfen: "Tribute to … wem". Nein, keine Tribute-Band, die heißen so. "Nie gehört." Dann lud mich Charly Heidenreich 1994 auf dem Burg Herzberg Festival in sein Auto ein, Musik zu hören. Daraufhin war ich dem Musikdrogendealer hilflos ausgeliefert (der Katalog!), kaufte über weitaus mehr als 16 Jahre lang CD um CD - und natürlich Tribute, die darin zu finden waren (Pardon, sind). Anfang der 1990er Jahre gab es eine CD-Auflage, drei CDs stehen seitdem in meiner Sammlung: "New Views", "Live!", "Terra Incognita".
Mein persönliches Highlight - mit Abstand - ist "Terra Incognita". Doch das Debüt "New Views" ist ebenfalls ausgezeichnet. "Breaking Barriers" kenne ich, wie gesagt, auswendig. Einen kritischen Abstand dazu kann ich nicht finden, ich mag die ‚schönen' Sachen darauf ebenso wie die kitschigen Popsongs. Die zweite LP-Seite ist mir lieber, aber "Diesel Engine" zum Beispiel ist ein Track, der immer wieder einmal in den Raum muss.
Und jetzt gibt es "Breaking Barriers" (wieder?) auf CD, für mich das erste Mal. In dieser guten Qualität hatte ich das Album noch nie gehört, ohne Knistern, in einem Rutsch (ohne das Umdrehen der LP). Was mögen die Bandmitglieder Per Gideon Andersson (bass, guitar, mandolin, keyboards, drums, percussion, choir), Christer Josef Rhedin (keyboards, drums, acoustic guitar, bass, choir), Lena Andersson (percussion, choir), Nina Andersson (percussion, flute, saxophone, vibraphone, vocals, choir), Per Ramsby (keyboards, choir), Dag Westling (electric guitar, acoustic guitar, vocals, choir), Pierre Moerlen (drums, marimba, vibraphone) und Åke Ziedén (lead guitar, bass) heutzutage nur so tun?
Pierre Moerlen ist verstorben (RIP), damit ist der französische Teil der Band nicht mehr da. Aber die schwedische Fraktion? Und was halten sie heute von ihrer eigenen Musik?
Bonusmaterial gibt es nicht. Die neun Tracks auf "Breaking Barriers" machen die CD mit 41:58 Minuten voll, im Booklet sind einige Informationen nachzulesen (ganz vergessen, als es losging damals: online - und Suchmaschinen den ganzen [damals noch luftigen] Internetdschungel durchforsteten - findet da mal eine Band, die ‚Tribute' heißt. Welches Elend!), das Cover lässt Bildschärfe vermissen - das gleiche betrifft die Neuauflage von "Live!".
Die Aufnahmen wurden remastert, die Produktion des Reissues wurde durch Gideon Andersson und Josef Rhedin (unter Mitarbeit von Sireena-Labelmiteigner Tom Redecker) vorgenommen, den beiden Musikern der Band, die Tribute gründeten und das überwiegende Material komponierten und damit wohl als die stilprägenden Figuren innerhalb der Band anzusehen sind. Der Klang ist klar und sauber, nicht Bass-belastet oder auf Volumen orientiert, sondern handfest, laut und leise gut zu hören, die feine Balance aus unverfälschten, klaren Höhen und satter Mitte ist die sehr gute Voraussetzung für jede gute Anlage. Für mich persönlich wurde es Zeit, dass "Breaking Barriers" endlich auf CD veröffentlicht wurde - und ganz gewiss nicht nur für mich persönlich. Die Ausgabe von 1990 ist längst nicht mehr zu haben.

"Tribute Live!" ist mit "The Melody The Beat The Heart" unterzeichnet. 54:45 Minuten lang, war das für Vinyl-Verhältnisse eine ordentliche Herausforderung. Auf der ersten Seite sind die drei je knapp 9 Minuten langen Tracks zu hören, die funky Fusion mit symphonischem Rock kombinieren. Manchmal recht locker und leicht, aber vielfach schön intensiv, verspielt und mit raffinierten Wendungen. Vor allem die Rhythmusarbeit ist vital, in den 1980er Jahren - in der Rockmusik - eine absolute Ausnahmeerscheinung. Die sieben weiteren Tracks sind deutlich kürzer, zwischen knapp zwei bis knapp fünfeinhalb Minuten dauernd, ein Potpourri aus "New Views"-Schnipseln, einem Track von "Breaking Barriers" und bislang nicht veröffentlichtem Material. Schön anzuhören, immer wieder gibt es Mallets zu hören. Besonderes Ohrenmerk benötigt "Through My Heart". Das Publikum in Friesoythe, Emden und Hamburg Anfang November 1986 weiß, ob Lena oder Nina Andersson diesen Engelsgesang zelebriert hat, der allein das großartige Stück Musik zum Leben erweckt. Gänsehaut!
Die progressive Rockmusik ist seitdem ein großes Stück weitergereist. Gut, dass Alben wie diese, die heute zur Historie des Genres zählen, wieder aufgelegt werden. Das Manko mit unscharfem Cover kann hingenommen werden, weil die Musik, gut remastert, endlich wieder verfügbar ist.
Das Debüt "New Views" wurde ebenfalls neu aufgelegt. Fehlt "Terra Incognita" - vielleicht ist das letzte Album der Schweden gerade im Remastering-Prozess.
Und hoffentlich wird dort Bonusmaterial vorhanden sein und integriert (CD2?)!

sireena.de
VM



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