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Traumhaus "Das Geheimnis" (Progressive Promotion Records 2013)


Das Musikverständnis ist so sehr mit der englischen Sprache verknüpft - oder dem ganzen exotischen Rest - dass es immer wieder eine nette und überraschende Freude ist, der eigenen, deutschen Sprache zu begegnen: ‚Traumhaus', ‚Das Geheimnis'. Deutschsprachige Texte - plötzlich bekommt die Musik Konkurrenz, die sich aus den ganzen Anderssprachigen Produktionen in der vollen Tiefe einfach nicht vermittelt.
Gelogen! Keine Überraschung! Alexander Weyland und Traumhaus sind wohlbekannt. Für ihre Musik, ihre Texte - und ihre Sprache.
Wieder gelogen - doch Überraschung: 5 neue Songs! Und was für welche. Schon das erste Lied "Das Geheimnis Teil 1" fließt so schnell dahin, dass die 4:29 Minuten urplötzlich vergangen sind. Und schon hier ist einiges passiert: die Geschichte des Albums durchging ihren ersten Teil, im Booklet in deutscher - und für alle anderen - englischer Sprache abgedruckt. Übersetzt hat kein Anderer als Dr. Sturm, ein, wie der Name bereits sagt, wilder Mann, der schon als Kind in die Musik fiel und in Schallplatteninnenhüllen vermerkte, was das Vinyl in welcher Qualität enthalte.
Im ersten Track gibt es eine Besonderheit, die nicht wiederkehrt. Die Rhythmusarbeit beinhaltet eine dynamisierende Note, die den Song enorm antreibt und ihn fast Rad schlagen, Überschlag machen lässt. Sehr gut und doch mit einer Anmerkung. Chef, Keyboarder und Komponist Alexander Weyland ist ein nachdenklicher, eher leiser Mann mit Sinn für Humor und verrückte Musik, der vorn am Bühnenrand in verzückte Ekstase geriet, als die belgischen Avantgarde Rocker Present ihre Intensivitätsflut über das Auditorium ergossen. Leiser, nachdenklicher Mann - verzückte Ekstase: Musik! Sie ist seine Leidenschaft und das ist seinem neuen Album deutlich anzuhören.
Begleitet von Tobias Hampl (g), Sebastian Klein (b), Stefan Hopf (add drum loops) sowie Jimmy Keegan (dr, Santana, Spocks Beard, Kenny Loggins, Agents of Mercy) ist ein rundum beeindruckendes Symphonic Prog Album entstanden, das Mellotron-schwanger in der Historie schwelgt und ebenso modern klingt, ohne Vorbildern besonders nahe zu sein. Alexanders Gesang hat eine rauchige, milde Note, die in Stimme und Intonation entfernt an Werther Lohse (Lift) erinnert, wie überhaupt die dunkle, symphonische Melancholie der einzigen wirklichen Progressive Rockband der DDR in ihrer besten Zeit entfernt nahe ist.
Nach dem ersten Song folgt mit dem 27:26 Minuten langen "Das Vermächtnis" ein großer Brocken, der vielseitig und emotional mitreißend ist, viele instrumentale wie lyrische Facetten aufweist, hier schwer rockt und dort sphärisch mäandert, in großer Epik schwelgt, fast liedermachermäßig schlicht sein kann und dann wieder hoch und bombastisch auffährt.
Die gewisse Düsternis in den Texten vermittelt sich in der Musik, zeichnet die leisen Passagen, die Gänsehaut über den Rücken jagen und kann fast ängstigen, wenn die starken Worte in eine instrumentale Dimension führen, die hypnotische Kraft haben. Daraus zieht die Rockband an, die Keyboards schwimmen im Off, die Gitarre setzt illustre und hochmelodische Soli und die knackfrische Rhythmuscrew ackert sich lebhaft und vital durch das hochemotionale Geschehen. Basis des Tracks ist ein fast krimihafter Tastensatz, der zwischen den einzelnen Passagen sitzt und jeden weiteren Ansatz zulässt: schweren, fast metallischen Rock, symphonische Elegie, schwelgerische Instrumentalweite. Bis Alexander Stimme und Texte wieder in den Vordergrund stellt und die kraftvolle Band Basis seiner textlichen Aussage ist.
Gewiss kann ich mir vorstellen, dass da Bands draußen sind, die mit mageren Texten lange Songs füllen und es passiert, dass die gesamte potentielle Hörerschaft sich genervt abwendet. So sind und waren etwa britische Bands immer wieder erstaunt, wie gut ihre Songs im deutschsprachigen Raum ankommen, wo alle, die die englische Sprache als Muttersprache haben, völlig gelangweilt oder angeödet waren. Die Deutschen verstanden die Texte nicht - und hatten damit viel mehr von der Musik.
Hier trifft der andere Fall ein. Nicht nur, dass die lyrischen Texte große Tiefe haben, von Verletzung, Liebe, philosophisch tiefer Lebenssuche und Sehnsucht sprechen - sie sind auch noch zu verstehen, nicht in Übersetzung im Booklet, sondern im Gesang direkt im Song. Diese Bereicherung ist selten und ein sehr großer Pluspunkt in Traumhaus' Musik. Zudem - die Songs haben es allein instrumental schon drauf. Die - stilistisch nicht verwandten - Flower Kings haben lange kein so großes Epos mehr geschaffen wie Traumhaus und die progressive Szene setzt entweder auf Jazzrock oder New Artrock; der große epische Symphonic Rock in klassischer Handschrift, großer Dramatik und voll des dynamischen, harten und vitalen Rock findet, in höchster Qualität, nur wenig statt.
Nachdem "Das Geheimnis Teil 2" seine 13:25 Minuten erfüllte, ist ein großartiges, hochemotionales und hochqualitatives, ungemein facettenreiches Symphonic Rockalbum durchgespielt, dessen runde Stunde nur unbedingt zu empfehlen ist.
Und lange nachwirkt.

traumhaus-music.de
progressive-promotion.de
justforkicks.de
VM



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