Traumhaus "Die andere Seite" (sAUsTARK Records 2008)

Na schau mal an bzw. hör mal her! Zum ersten Mal seit den Texten Heinz Rudolf Kunzes bin ich nicht peinlich berührt, wenn ich Songtexte in meiner Muttersprache lese. Traumhaft!!! (Wer nicht viel zu sagen hat, flüchtet sich gern in die Sprache der Engel, verbunden mit dem Pseudoargument auf diese Weise mehr Chancen auf dem internationalen Markt zu haben. Doch Bands wie Rammstein, Tokio Hotel oder auch Falco belegen eindrucksvoll das Gegenteil, mag man von ihnen halten, was man will.) Alexander Weyland (Gesang und Keyboards), Tobias Hampel (Gitarre), Hans Jörg Schmitz (Schlagzeug) und Jordan H. Gazall (Bass) nehmen den geneigten Hörer mit auf eine Reise nach innen, die bei Resonanz zu einer echten Introspektion (inklusive Katharsis) führen kann. Musikalisch werden die Phasen innerer Entwicklung, die immer mit einem Gewinn an Authentizität (Gnoti seauton!), aber auch mit einem Verlust alter Muster und Verhaltensweisen einhergeht - vom Zweispalt zur intra- und schließlich interpersonalen Einheit - derart stimmig untermalt, dass ich nicht weiss, ob ich mich mehr auf die Texte oder die Musik kon-zen-trieren soll. Solche Probleme hätte ich bei vielen anderen Tonträgern gern, wo mich ein innerer Zwang überkommt, die Stop-Taste zu drücken. Alexander hat eine absolut lyrische, tief emotional eingefärbte Stimme, die mich ein wenig an Peter Gabriel erinnert, ohne dass er diesen allerdings zu kopieren sucht, wie dies viele Progpuristen tun und Hans Jörg trommelt mit einer Lockerheit komplexeste Kapriolen, die mich dereinst schon bei Kono Konopik total faszinierten. Überhaupt gibt es vom Klangbild einige Parallelen zu den alten Anyone´s Daughter, die für mich zum Besten zählen, was die deutsche Prog-Landschaft zu bieten hat(te) und zum Solo-Oeuvre des besten Genesis-Sängers, den es je gab. Allerdings sind Traumhaus virtuoser und variabler als die genannten Referenzen. Darüber hinaus werden immer wieder nach klassischer Manier musikalische und textliche Themen geschickt variiert. Eine kleingeistige Kategorisierung dieses Kunstwerks erspare ich mir und dem Leser, der sich am besten selbst zuerst auf die Suche nach der Scheibe und dann auf die Reise zur anderen Seite (des Prog) machen sollte, will er nicht wesentliche Impulse für die eigene Entwicklung (seines Musikgeschmacks) verpassen. Aus Insiderkreisen weiss ich, dass diese CD unter absolutem Zeitdruck entstand, da ein Großteil der Aufnahmen unbeabsichtigt gelöscht worden war. Dies gibt einigen Anlass zu Spekulationen über das Niveau der nächsten CD...

traumhaus-music.de
Frank Bender



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