Torma Ferenc "Pusztába kiáltok - I cry out in the wilderness" (Periferic Records 2011)

Klingt ja so, dachte ich unvermittelt, stark nach After Crying! Bis ich feststellte, das da ja auch einer von After Crying mitmacht: Winkler Balázs. Viel länger, viel länger dauerte es, bis dem Nixmerker VM aufging, dass der Chef himself ein After Crying ist. Die Sinne funktionieren. Spät.
SO viel After Crying ist nicht drin, diverse Arrangements, das klassische Rockkleid, die Grundstimmung, Trompetenchöre, der Gitarrensound, die Gesangsdynamik: aber nicht die Komposition an sich. Das überwiegend instrumental gehaltene Konzeptalbum hat den Untertitel: "Life of John the Baptist". Die 12 Songs machen 47 Minuten voll, wechseln von ELP-inspiriertem, harten Progressive Rock über reine symphonische Klassik in dezent poppige, mal metallische, dann komplex progressive, wieder klassische, ambiente, in einem Track gar von Dancefloor-Rhythmus getragene Sphären. Die Arrangements sind trotz einiger harter und mitreißend rockender Tracks sehr romantisch und lasziv, schöngeistig und geradezu idyllisch. Die klassischen Stücke, etwa "Ima", fast 5 Minuten lang, ausschließlich von klassischen Streichinstrumenten eingespielt, sind nicht von moderner Expressivität und Atonalität geprägt, sondern von romantischer Eleganz und elegischer Melodie. Alle Songübergänge, wenn überhaupt wahrzunehmen in der Fülle der Harmonieschönheit, sind sehr angenehm arrangiert, wenn krasse Brüche auftreten, sind diese nachvollziehbar und angenehm.
Der ungarischsprachige Gesang hat Charakter, in der Gesangslinie wie in der Expressivität der Stimme. Die fügt sich nicht weich ins Arrangement, sondern sitzt kratzig eindrucksvoll darüber. Wer Siebziger und Achtziger Rock- und Hardrockbands aus Ungarn kennt, wird diesen ganz bestimmten Ton im Gesang erkennen, den viele dieser Bands hier und da transportieren, von LGT und Omega über Hobo Blues Band bis Piramis - obschon Torma Ferenc mit genannten Bands stilistisch sonst kaum etwas gemein hat. Im instrumentalen Bereich schwappt immer wieder After Crying durch, klassisch anmutende, aus alter, historisch religiöser Musik gewachsene Arrangements sind in Piano-Trompeten-Arrangements zu hören.
Die Story setzt sich kritisch mit dem Zeitgeist auseinander und nimmt das moderne Leben mit seinen Wünschen und Grenzen, Naturentfremdetheit und Einsamkeit, Lüsten und Süchten aufs Korn. Indes sind Texte nur in sechs der 12 Songs zu hören, trägt der Sound den zeitgeistkritischen Eindruck weiter.
Mal abgesehen vom nervigen "The last party - John's death" mit seinem technoiden Dancefloor-Rhythmus und den simplifizierten Chor-Samples, das Teil kann ich schlicht nicht hören, Skip, verbreitet Torma Ferenc auf seinem Soloalbum eine äußerst angenehme Atmosphäre mit klugen, ideenreichen Songs, die überwiegend sehr lyrisch und sanft gehalten sind, und doch knackfrisch rocken können. Fast ein Alterswerk, möchte ich meinen, mit viel Weisheit und Schöngeistigkeit. Das abschließende "Anthem" nimmt über 6 Minuten noch einmal alle romantischen Qualitäten des Albums auf: Chorgesang, klassische Streicher, Trompete, quasireligiöse Klangatmosphäre, harmonische Lieblichkeit (die nicht aufgesetzt ist oder billig kreischt), ein fabelhaft schönes - und in der Tat - Weihnachtsalbum voll Romantik und Entspannung.

perifericrecords.com
VM



Zurück