"Ich denke, es gibt noch etwas Verrückteres auf dieser Welt, als Jazz-Vibrafon spielen zu wollen: Und das ist, als Jazz-Vibrafonist eine Solo-CD aufzunehmen, die nur Balladen enthält". Das meint Tom van der Geld im Booklet zur CD. Und es gibt sicherlich noch verrücktere Dinge, im positiven wie im negativen Sinn. Hitler und Stalin auf der einen, Mahatma Gandhi und Martin Luther King auf der anderen Seite, viel mehr noch.
Weiter steht viel Intimes im Booklet, dass diese CD beinahe nicht möglich geworden wäre, Tom van der Geld durch schwere Krankheit ging und diese Arbeit eine Ernte seiner Gesundung ist, und seiner Gedanken darüber. Sieben Jahre ohne Bühne, viele Jahre ohne Klöppel, ohne Mallets. Für den Vibrafonisten fast der Tod.
Und sicher ist es verrückt, solch eine Platte zu machen. Die Songs sind bekannte Stücke und weniger bekannte, von großen Jazzkomponisten geschrieben, vielfältig von diversen Ensembles gespielt, Jazzklassiker, weitere Songs. Die Versionen von Tom van der Geld sind allesamt neu und lassen die originale Komposition nur erahnen. Zum einen liegt das der schmalen Instrumentierung, dem Fehlen des vollen Bandsounds. Viel mehr aber am steten, wechsellosen Klang des Vibrafons an sich. Allesamt Balladen schwindelt alsbald der Kopf, welchen Song höre ich, hatte ich dieses Motiv nicht schon gehört, diesen Rhythmus, diese Forcierung, diese Melancholie? Alles klingt gleich, nichts ist auseinander zu halten, ein Vibrafonist mit seiner "Handschrift", seinem Kopf, die Songs sind allesamt gleich gemacht worden. Es wird langweilig, das Hören der Töne wird schwer, so zart der Klang, so öde die Dauer.
Doch dann irgendwann baut sich aus dem verhallten Klang des Instrumentes, plötzlich verstanden, in den zart verwinkelten Harmonien das lyrische Klangerlebnis, schwellen die Töne und Harmonien nicht mehr unverstanden in das wie betäubt dumpfe Ohr, sondern erreichen den, der aufmerksam zuhört und der CD eine Chance gibt. Eine der großen Chancen der CD ist aktuelle Freude der Jazzfans an der Stille. Was vor 30 bis 35 Jahren wie ein Orkan betäubenden Freejazz in die erstaunlich freundliche Zuhörerschaft blies, schmeichelt nun wie Wellness-Sound geplagte Ohren.
Doch von Wellness-Klang ist Tom van der Geld weit entfernt. Wer seine Musik lieben will, muss zuhören, um nicht wegzudämmern. Und dann schließlich kommen die Harmonien und Melodien der Originale wieder hervor, hier und dort, als Lichtblitze, und mischen sich in seine phantastische Musiksprache, die von Stille und Dunkelheit spricht, aber auch von Raffinesse, Witz und Charme.
tomvandergeld.de
VM
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