The White Kites
"Missing" (CD Album)
"Love Songs" (single)
(Deep Field Records, 14.10.2013)

Durch Warsaw ist ein psychedelischer 60s Wind gezogen, der ging Sean Palmer (voc), Jakub Lenarczyk (key), Bartek Wozniak (g), Przemek Pilacínski (g), Pawel Betley (fl, rec), Piotr Olszewski ‚Diabelsky Bassdeluxe' (b, voc) und Jakub Tolak (dr) durch Mark und Bein und beeinflusst sie nun zeitlebens.
Stellt euch vor, frühe Gong träfen auf späte Beatles, ganz jung Pink Floyd kämen hinzu und die hoffnungsfrohe Idee, im nächsten Jahrzehnt nun eine ganz neue Musik zu erschaffen - die noch kein Mensch hörte und die alle Hörvorstellungen populärer Musik über den Haufen würfe, wäre mit einem Mal geboren. Einfach so. Und genauso klingen The White Kites: ihre Musik ist zart und knackig, hochmelodisch und frech, dunkel melancholisch und witzig forsch - alles zugleich selbstverständlich. Und zu frisch progressiven, szenisch psychedelischen Elementen treffen europäischer Folk, Baroque Pop (als früher Prog-Einfluss nicht zu vernachlässigen!) und der ideale Popsong - nicht auf gepuschtem Dummenfang, sondern raffiniert und einfach: echt!
Das ganze "Missing" klingt so: echt. Aus den traumhaft lyrischen, knackig rockenden Songs spricht unbekümmerte Komplexität und ungemein viel Spaß an der Musikarbeit. Die machen nicht auf Prog, das liegt ihnen ferne. Und selbst wenn The White Kites klingen wollen, als sei ihr Hier und Jetzt das Endsechziger Britannien (Klein? Groß! [Cäsar]) und die Klamottenshops sind voll der schönsten Bekleidung ever.
Die polnische Band kommt keinem ihrer zahllosen Vorbilder (unter denen sich neben Genannten zudem Frank Zappa, Tim Buckley, Robert Wyatt, Genesis, The Zombies u.v.m. befinden) überhaupt nur nahe. Ihr Sound ist authentisch und frei jeder Anbiederung. Zwar sind etliche Harmonien auf die Beatles zurückzuführen, aber die Beatles aus der kompletten Rockgeschichte rausgenommen, bleibt nicht viel - überall sind die Pilzköpfe drin! (Etwa King Crimson…)
The White Kites legen Wert auf Humor - sie spielen absurde musikalische Sketche, leichtfüssige Schmeichelballaden, die sich in verrückt schrägen Passagen brechen, benutzen viel sehr schön klingendes Instrumentarium und sind - nur am Rande erwähnt - PERFEKT in der Lage, ihr Kunsthandwerkzeug zu bedienen. Allein die Gesangslinien sind ungemein einladend. Raffiniert, schöngeistig, liebevoll gesungen und in einer Stimmung, die jedem Gran Komposition das richtige Gewicht, das passende Licht gibt. Aus diesem Endsechziger Entspannungspool ist lange nicht mehr eine Band gestiegen, die so überraschende und hinreißende Kompositionen schreibt und in aller Idee klassische instrumentale Handschrift locker und versiert einbringt. So kann ein romantischer Song mit tirilierenden Flöten zum Ende in eine schwermütige Epik verfallen, die konzertant symphonische Elemente aufweist ("Beyond the Furthest Star"), und schließlich wieder in die sanftmütigste Stimmung zurücksinken.
The White Kites rocken nicht deftig, oder kaum, ihr Wesen ist die verblüffende Ballade, die in alle erdenkliche Richtungen aufgehen kann, Flöten, Klarinette, Cembalo, Celli und Mellotron-Samples Raum gibt und den Regen am Morgen verjagt.
Hier und da kommen Ähnlichkeiten zum - ähnlich - orientierten X-Legged Sally-Nachfolge-Projekt A Group auf. Die großartigen Belgier und die raffinierten Polen verbindet 60s Baroque Pop Geist, der schon einmal hinreißend zeigt, was Prog gänzlich ohne Anstrengung kann.
Nebenbei legt die Band mit "Love Songs" eine Single im pappdünnen Klappcover auf. Und was soll ich sagen!?! Beide Songs haben gesampelte Mallets - alles klar? Die Sucht erkennt sich selbst und nimmt sich an. So locker und frisch die beiden Tracks, und dabei vollkommen kitschfrei, dass nichts bleibt, als sie zu lieben wie den großen "Missing"-Bruder.
Wenn The White Kites nicht in die Sammlung kommen, was denn dann noch?
Ganz großes Zukunftspotential!

thewhitekites.bandcamp.com
facebook.com/TheWhiteKites
VM




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