Joseph Daley - Warren Smith - Scott Robinson
"The Tuba Trio Chronicles"
(JoDa Locust Street Music 01.01.2016)


Tubist Joseph Daley schrieb die 7 Stücke (69:58 Minuten) für "The Tuba Trio Chronicles". Gewidmet ist das Album dem Andenken an Daleys Mentor und Freund Sam Rivers. Und hier und da kommt das Trio dem Vorbild auch gut nahe. Daley ist als Komponist, Arrangeur und ‚low brass' Spezialist wohlbekannt, schon 1976 veröffentlichte er unter "The Tuba Trio". Weitaus bekannter dürfte der Baritonhorn, Euphonium und Tuba spielende Jazzkomponist für seine zahlreichen Engagements sein. Unter anderem spielte er mit Taj Mahal, Gil Evans (etwa auf dem Geniestreich "Svengali"), Carla Bley, George Gruntz, dem Liberation Music Orchestra - zahlreichen anderen, so mit Sam Rivers.
Schlagzeuger Warren Smith ist ebenfalls kein Unbekannter. Bereits 1957 spielte er Vibraphon für Miles Davis. In Jazz und Rock wohlbekannt für sein exzellentes Vibraphon- und Marimbaspiel (etwa Janis Joplon, Tony Williams Lifetime, Van Morrison, Joe Zawinul - zahlreiche weitere) spielt Smith hier MPI - Multiple Percussion Instrument (als, wie er meint: modern reference to the drum set), Bass Marimba, Gongs, Chinese Cymbals, Vibraphone - und allerlei Perkussion.
Berklee-Absolvent Scott Robinson arbeitete ebenfalls mit Jazzgrößen zusammen, vielmehr aber in zahlreichen Projekten, die Free Jazz, Avantgarde und Free Improvisation ausüben.
Aller drei Musiker Diskographien sind umfangreich, dazu gehören Jazzklassiker und extravagante Avantgarde-Alben für Spezialisten. Und ein solches sind diese "The Tuba Trio Chronicles" ebenfalls.
Drei der Stücke sind Sam Rivers gewidmet, oder besser, orientieren sich am Kompositionsstil Sam Rivers'. Ein Track, "Modality", ist ein Thema für freie Improvisation, zwei weitere offene improvisative Vehikel für das Trio. Und "Terrarium", Herzstück und über 20 Minuten laufender Geniestreich, ist präpariert für den Freigeist der Jazzhandwerker.
Stilistisch würde ich das erstaunlich homogene, ausgeglichene, erlesen freiformatige, frei improvisative und dabei hochmelodische, humorvolle, vertiefte, collagenartige Werk zwischen Avantgarde Jazz und Free Improvisation ansiedeln, mit einigen Ausbrüchen in den lockeren Free Jazz sowie hier und dort hin.
Das melodische Treiben des Trios ist ausgelassen. Es passiert enorm viel. Zwar gibt es kontemplativ epische Flächen, aber kaum auf Lyrik orientiert, sondern auf Action und ausgelassenes, neugieriges Spiel. Tuba, verschiedene Saxophone, überwiegend Basssaxophon, dazu Bassflöte, Kontraaltklarinette und andere wunderbare wahnsinnig tiefe Töne erarbeitende Instrumente kommen zum Einsatz. Dazu die akustische, vielseitige Perkussion mit allerlei verspieltem Sinn und beeindruckenden Pauken-, Gong- und Beckenschlägen.
Die ersten vier Tracks läuft das Trio zu Hochform auf. Sodann startet es zu 20:38 Minuten "Terrarium". Anfangs filmmusikartig, mit ambienter Note und starkem lyrischen Impetus in zerfließender Struktur baut sich eine enorm hohe Energie auf, die den Zuhörer ungemein intensiv unterhält und mit extravagantem, geradezu tiefgeistigen, impressiven Charakter fesselt. Wood Blocks, Tuba und Theremin eröffnen, Marimba, Process Sounds, Photo Theremin und Waterphone führen weiter. Es wächst und wächst, dass aus partiell anfänglichen ECM-Sounds immer radikalere, wildere Muster erwachsen, die ungemein Humor, Konzentration und Versunkenheit transportieren. Diese Komposition allein ist das Album vollkommen wert.
Wenn die weiteren Tracks dem auch kaum nachstehen, ist "Terrarium" doch hörbar das Zentrum der gemeinsamen Arbeit. Zu Beginn können Vergleiche zu ECM und gar Tangerine Dream stehen, doch alsbald wandelt sich die Dynamik zu einem vitalen Geschehen, das dem Art Ensemble of Chicago und seiner Expression huldigt. Was für ein spannendes, intensives Spiel! Außergewöhnlich!
Pause.
Der spannendste Jazz des Jahres. Mehr. Dieser hochlyrische Klangwald muss unbedingt Ambient-, Electronic-, AvantProg- und Jazzfreaks empfohlen sein (wobei "Freaks" als Intensivierungsmerkmal gilt).
Sehr schön im Anschluss die Vibraphon-Ballade "Beatrice", perfetto an dieser Stelle, perfetto in der Komposition, perfetto!
"Proclamation" zuletzt holt den Ausrufer auf den Mittelaltermarkt, der dem Volk sagt, was des Herrschers Pläne sind. Ganz ohne Herrscher (unnütz) und Mittelalter (vorbei). Das Trio zelebriert Komplexität auf erneuter Bassbasis. Diese ungemein fetten, tiefsten Töne, das markante rhythmische Gerüst, die melodisch abstrahierende und nonchalant unnüchterne Verspieltheit! Welch Genuss - - -
Insgesamt ein enorm progressives Werk, ist "The Tuba Trio Chronicles" nicht im Ansatz rückwärtsgewandt, sondern Ausdruck zeitlos moderner Jazzinterpretation. Großartig komponiert und von ausgefuchsten Männern eingespielt, ist dies nur unbedingt zum empfehlende Album ein Geschenk für jeden Freund abgefahrener Töne.
Und wie leicht es klingt!

jodamusic.com
VM



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