The Perc Meets The Hidden Gentlemen "The Fruits of Sin & Labor" (Sireena Records 02.10.2015)


"The Fruits of Sin & Labor" ist 1990 das nach "Two Foozles at the Tea Party" (1989) zweite Album der Alternative/Psychedelic/Goth-Rocker The Perc Meets The Hidden Gentlemen. Langer Bandname, lange Albumnamen. Nach dem eingängigen Flach-Sound der 1980er Jahre waren wilde, schräge Zeiten angesagt, die den ekelhaft kitschigen Lärmkindergarten umflügten und schauerliche, erschreckende und ‚anders' hinreißende Alben kreativer Bands hervorbrachten. Etwa den ungezügelten, jugendlich selbstbewussten, lockeren Psycho-Rock-Sound der The Perc Meets The Hidden Gentlemen.
Die mit einem Mix aus Gothic Rock, Psychedelic, Alternative Folk und allerlei Underground-Klängen aufwarteten, der auf keinen Fall in eine der zahlreichen Schubladen passen wollte. Hin und wieder klingt es, als sei ein auf ironischem Dancefloor rappender Frank Zappa dabei, Funk in Zeitgeist zu zerlegen. Musikalisch eher simpel und unvollkommen; nicht darauf aus, die besonders erlesene und großartig komponierte Musik zu sein, sondern mit schlichten Mitteln schräge Botschaften quer zur Elite zu sägen, sind diese seltsamen Tracks zu hören, die erotische Phantasien, versponnene Antikommerz-Ideen und allerlei schräges Gedankengut transportieren.
Die Jungs waren jung und hatten Spaß daran, gegen jeden Strich zu denken und musizieren. Nur das Photoshooting mit den Kunstspinnenweben gefiel ihnen gar nicht, das Zeug juckte und im Studio war es höllisch heiß. Wer schön sein will, muss leiden. Lustiger Weise erinnert das Cover (und die etlichen weiteren Sessionphotos im Innenleben der Paperbox) eher an frühe Uriah Heep's "...Very 'eavy...Very 'umble" - musikalisch liegen Welten zwischen den Alben/Bands.
"The Fruits of Sin & Labor" hatte auf der LP eine Studio- und eine Live-Seite. Die 10 Tracks machen 48:59 Minuten voll. Je 5 Songs auf einer LP-Seite, sticht die A-(Studio-)Seite mit schrägen und schönen Tracks hervor. "Bronx Vanilla" (Szenebegriff für Knoblauch) ist eine Psychedelic-Folk-Perle, die genau diesen Gesang benötigt und schön lässig entspannt dahinspinnt. "Feed Your Heart To Beat" ist die Dance-Perciflage - schräg, aber auch etwas anstrengend, weil: Dancefloor-Beat. "The Comics Suite" dient der Erlösung des drängenden Geschlechtstriebes. Schön, das in dieser Art heute wieder zu hören. "The Widow On Strings" im Anschluss ist ein minimalistisches Gothic-Psycho-Stück mit wirren Geigen. Da tritt Nosferatu vor das innere Auge! Und "Bronx Vanilla" verabschiedet die Seite mit einem kratzigen Reprise.
Tom The Perc Redecker (org, voc, g, strings) und Emilio The Hidden Gentleman Winschetti (voc, g) spielten Seite 1 ganz ohne Band/Schlagzeug (mit hier und da einigen Gästen) ein, ohne dass etwas fehlen würde. Die Atmosphäre des Chaos-WG-Zimmers in einer Hinterhofruine im Herzen Berlins ist perfekt in Hörszene gesetzt.
Seite 2, live eingespielt, setzt auf derbe Gothic/Psychedelic-Atmosphäre. Kratzige Gitarren plärren schräge Sounds, zu denen tiefe Stimmen so etwas wie Melodie texten. Ab und zu werden derb programmierte Rhythmen gesetzt, elektronisch, absichtlich krass und nicht Rhythmus-betonend, sondern störend. Geschickt und noch heute sehr anhörenswert. "Niteride" ist fast ein 1980s Dancehit, nur mit diesem bösen Gothic-Touch, gräßlich schicken Gitarren und symphonisch kosmischer Keyboardarbeit gegen jede Progressive-Idee, als wäre der antiideologische David Bowie Ideengeber gewesen.
Die größte Herausforderung ist das über 12 Minuten lange "Rock the Widow" auf simpel programmiertem, blechernen Rhythmusteppich mit dröhnenden Gothic-Tasten. Gesang zuerst, Gitarren dann. Der minimalistische Psychedelic-Wahnsinn fordert ordentlich Nerven ein, fast ist es, als würde ein geisteskranker Zahnarzt mit seinem Bohrer pausenlos im Gebiss wüten, am Geduldsfaden sägen, dass nichts sehnlicher als das Ende dieser Tortur gewünscht wird.
"I want ya Scalp" ist noch einmal 80s Echo gegen jede Kommerzidee. Ein kurzer Totemtanz, danach ist beschlossen, am heutigen Tage nur noch Vogelgezwitscher und Bienensummen zuhören zu wollen.
Interessantes Album aus einer (un)vergessenen Zeit vor diesem Land. 1990 - das war vor 25 Jahren. Für The Perc Meets The Hidden Gentlemen war hiermit der Underground beendet.

sireena.de
VM



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