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The Mightiest Ever "Now" (esc records, 19.04.2013)
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Eher zeitlos als retrospektiv wirkt das interessante Album "Now" des Pianisten und Keyboarders Tim Sund und seiner Band The Mightiest Ever. Wenn Bandname und Albumcover auch eine gewisse Hilflosigkeit offenbaren, sich trefflich zu präsentieren, und mit Selbstbewusstsein im Namen die Sache nun einmal frecher wirkt, so braucht die Musik doch kein verklausuliertes Repräsentationspaket, weil sie aus sich heraus frisch und herzhaft ist, wohl überlegte, faszinierende Kompositionen, vitale Arrangements, melodisch vielschichtige Läufe fast wie in der klassischen Musik und erstklassig technische Handwerker an den Instrumenten beweist. Der kulturjournalistische Text im Booklet birgt erklärende Informationen und bewirkt Schmunzeln, weil er so promotionmäßig geschrieben ist (ohne ganz peinlich zu sein). Dafür faszinieren die gut fotografierten Musiker in Aktion umso mehr.
Tim Sund und The Mightiest Ever spielen gediegenen Jazzrock mit mildem Klima. Im Booklet steht etwa: "man stelle sich vor, der Synthi-Gott Keith Emerson hätte mit den Rhythmus-Bastlern von Supertramp eine Session gemacht…" - mal abgesehen davon, das Tim Sund weit von Keith Emerson entfernt ist, technisch einen anderen Ansatz hat und handwerklich eher zwischen romantische Klassik, lichte Fusion und Softrock passt, was kein Manko ist, so stimmt auch mit Supertramp hinten und vorn nichts. Aber eines passt: die hochwertige handwerklich-technische Qualität der Aufnahmen und der kompositorische Anspruch, für den wohl der Synthi-Gott steht, und das allgemein sanfte, elegische und freundliche Arrangement aller Songs, in denen Flügelhorn, Sounds wie vom Schifferklavier oder der Mundharmonika, perlende Pianoläufe, dezenter Rhythmus und glasklare Trompete für den saubersten Eindruck sorgen, seit es Fusion gibt (was wohl auf Supertramp deuten soll). Nichts ist wie im Kitsch der Endsiebziger, als kein Druck, keine Energie mehr im Label waren und alle Bands diesen verbratzten Einheitssound generierten.
Kaum einer der 9 rein instrumentalen Songs (mit bisweilen lautmalerischem Gesang unisono zur instrumentalen Exegese der melodischen Themen) ist echt Rock, indes auch nicht Pop. Eher, nur zur Orientierung, würde ich das Album stilistisch als Soft Fusion für das edel gekleidete Publikum zur großen Abendunterhaltung bezeichnen.
Die Songs sind beeindruckend, hervorragend komponiert. Thematische Wechsel erscheinen logisch, verblüffen dennoch, da sind improvisative und melodische wie rhythmische Überraschungen zuhauf, und trotz der eher sanftmütigen Produktion steckt im instrumentalen Handwerk viel Energie und Leidenschaft. Mir persönlich gefällt besonders das Saitenspiel von Valentin Gregor sowie die Schlagzeugarbeit von Kai Schönburg. Piano und Trompete bergen oft eine etwas zu milde, zu saubere Intonation/Aufnahme, können indes gleichfalls durch rasantes Spiel beeindrucken. Der akustische Bass geht zu sehr im Mix unter oder seine Melodiespur ist zu unauffällig, das wichtige Instrument wurde vernachlässigt.
Die überwiegende Orientierung auf balladeskes Material und verträumt melancholische Motive verspricht zwar, ein an milder Musik interessiertes, größeres gebildetes Publikum anzusprechen. Dafür werden die Hörspezialisten der Szene, die sich mit kaum anderer Musik auseinandersetzen, das Album wenn überhaupt wahrnehmen wohl nur streifen, weil die Szene - Jazzrock/Fusion/etc. - zwar auf jedes neue Album hungrig ist, aber von hochkarätigen, vitalen Bandprojekten und Alben gut gefüttert wird.
Das Album ist Roger Hodgson und Rick Davi(e)s gewidmet, den beiden Songwritern der Melodic Prog-Legende Supertramp. Und wie diese ist Tim Sund ein wohl romantischer Komponist mit Sinn für ästhetisch erstklassige Instrumentalarbeit, sauberen Klang und erlesene Arrangements, die Stil und Qualität vereinen. Schön, dass die Welt der sanften Musik ein so elegantes und schöngeistiges, kompositorisch vielschichtiges und hochkarätiges Album erleben darf.
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