The Kandinsky Effect "Somnambulist" (Cuneiform Records 2015)


Der Post-Rock oder Jazz-Post-Rock des Trios hat tatsächlich etwas Schlafwandlerisches. Stille, Lyrik, organisierte Waghalsigkeit, Intuition & Selbstsicherheit. Vermutlich darf in Konzerten der Band nicht geklatscht werden, sonst fallen Warren Walker (saxes, effects), Gaël Petrina (b, effects) und Caleb Dolister (dr, perc) von der Bühne. Doch mit welch schlafwandlerischer Sicherheit das Trio diese 12 Tracks komponierte und einspielte, ist beispielhaft und beeindruckend.
Das dritte Album der Band nach "The Kandinsky Effect" (2010) und "Synesthesia" (2013, ebenfalls auf Cuneiform) will sich stilistisch nicht festlegen lassen, setzt auf keine altbekannten Strukturen, enthält Jazz, der kein Jazz ist und Rock, der wenig Rock sein mag. Die spielerisch leicht wirkenden Songs, allesamt zwischen 3 und 4 Minuten laufend, sind hier lebhaft und forsch strukturiert, dort nachdenklich und verträumt. Die Klangästhetik der Instrumente bringt es mit sich, dass hier keine neuen Welten aufgemacht werden. Doch wie die Einzelteile des "Somnambulist" ihrer Wege ziehen, wirkt neu und ungehört. Intelligenter Post-Jazz mit popbehauchten Rockstrukturen, die sinnig und lyrisch aufgebaut sind, zwar eigenen Geistes, der ungewöhnlich sein will, aber in durchaus leicht ins Ohr gehenden Arrangements. Auffallend extravagant gedacht, komponiert und gespielt - das Trio beweist sich als Markenzeichen im überfüllten Kosmos der Musikextravaganz.
Die Postrock-Kompositionen, anspruchsvoll, aber nicht außerordentlich komplex, sind federleicht und zugänglich mit einer dunklen Seite, deren dezent schwermütige Frequenzen den luftigen Popmolekülen ausgezeichnet stehen. So sind die Songs nicht zu eingängig, bekommen eine gewisse Schwere und nonchalant nachdenklichen Charakter. Dabei kann es gut abgehen. Das Schlagzeug mit dem wohl am poppigsten (und gleichzeitig durchaus komplex und differenziert) gespielten Part verführt zum Mitwippen. Die Songs, trotz düsterer Note und jazziger Melodik, vor allem im frei gespielten und improvisativen Saxophoneinsatz, sind witzig spritzig und modern, werden Jazzfans, die nicht konservativ progressiv geprägt sind, ebenso gut gefallen wie älteren Rocksemestern, die es nicht mehr so unsagbar laut und schrill mögen, aber alles "Normale" schon weggehört und aussortiert haben. Beides haben diese Stücke, eine leichte, sanfte Seite, den Streicheleffekt. Und abgründige Schwermut, die zur Erdung der Songs beiträgt.
(Quasi) intelligente Musik mit therapeutischer Wirkung.

thekandinskyeffect.com
cuneiformrecords.com
VM



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