Textures "Polars"

Es ist immer wieder erstaunlich, wie sehr ein flüchtiger Höreindruck täuschen kann. Ich bekam diese CD über einen Freund, der völlig begeistert davon war - Nicht nur er, denn scheinbar werden Textures in den Niederlanden bis zum Erbrechen gehyped. Ich hatte nur einmal kurz hineingehört und es schien bloss stereotypischer moderner Thrash/Death Metal im Stile von Darkane zu sein, mit nervigen, hohen Vocals. dann, einige Wochen später, hörte ich den Track "Transgression" zufällig und war wie weggeblasen. Hier herrscht zwar anfangs deutlich jener Thrash-Death-Anteil vor, aber zugleich ist es sehr technisch, progressiv und kompakt, wodurch die Songs auf "Polars" auch voller Wut erscheinen. den Titel trägt diese Platte zurecht, immer wieder tauchen klare Vocals, die stark an Devin Townsend erinnern auf, kleine elektronische Einsprengsel, sogar ein Saxophonpart in "transgression", all diese Elemente, die die Atmosphäre ungemein verdichten und Textures die Eigenständigkeit geben, die sie in der heutigen Masse der modernen Metalbands dringend nötig haben, um darin nicht unterzugehen. die Stimme von Frontschreier Pieter Verpaalen auf der anderen Seite mag zunächst stark gewöhnungsbedürftig sein, liegt sie doch eher in der gegend einschlägiger hardcore bands, letztendlich ist aber auch sie es, die ein Stück originalität zum Ganzen beiträgt und "Polars" vielleicht schwerer verdaulich, aber nichtsdestoweniger interessanter macht. der Longtrack "Polars" vereint nocheinmal alle Stärken der Band, zeigt aber auch viel deutlicher als die kurzen Songs ihre größte Schwäche, denn leider scheint die Band stellenweise ihre Orientierung zu verlieren, driftet kurz ins Belanglose ab, auf eine subtile Weise nach neuen Ideen suchend, aber sie schafft es, diese Parts schon sekunden später mit interessanteren auszugleichen.
"Heave" ist dann der zweite Longtrack, der aber mit 18 minuten Ambient-Geschwirre eher als ein Füller wirkt, denn ohne ihn ist die Scheibe recht kurz.

Mit "Polars" verschwimmt die Grenze zwischen modernen Death und Thrash metal Bands und völlig genrefremden Einflüssen, Electronica, Ambient, ja gar dem ohnehin schon schwammig definierten Postrock, wie man ihn vielleicht von Tortoise kennt. Sie sind progressiv, aber sie drücken dies nicht durch technische Frickeleien aus (Diese werden fast schon selbstverständlich in den Songs verarbeitet), sie eröffnen dem Hörer durch ihre Ambient-Elemente eine Klangwelt, die er alleinstehend wahrscheinlich einfach abgelehnt hätte. Textures haben das Potential dazu, etwas wirklich außergewöhnliches zu werden, Ideen sind vorhanden, doch einiges wirkt noch zu unausgegoren, zu überstürzt. Ihnen fehlt etwas die sicherheit, etwas, dass sie führt, doch für ein Debüt ist "Polars" beeindruckend genug. Ich kann diese Band daher jedem empfehlen, der für Experimentelles offen ist, auch für eine Platte, die völlig gegensätzliche Dinge - Metal und Ambient - scheinbar mühelos vereint.

Timo



Zurück