Robin Taylor "Deutsche Schule!" (Marvel Of Beauty Records 2006)

Der dänische Multiinstrumentalist und Multistilist Robin Taylor ist ein Workaholic, anders ist der hohe Output an selbst komponierten, gespielten und produzierten CDs nicht zu erklären. Der Mann ist schon seit langem im Musikgeschäft und seine Inspiration scheint nicht zu erlahmen. Beeindruckend!
Sein jüngstes Werk widmet sich einem starken Einfluss Taylors, dem 'freakigen' Krautrock der frühen 70er. Mit Unterstützung durch Karsten Vogel (saxes), Louise Nipper (voices) und Rasmus Grosell (additional dr) hat Robin Taylor 7 reichlich schräge, aber nicht unbedingt 'krautige' Songs eingespielt, deren größte Nähe zu frühen deutschen Elektronikern zu sehen ist, so etwa Kraftwerk. Eine Ahnung von Can, Amon Düül II und den avantgardistischen Elektrokünstlern der deutschen Krautrockszene lässt sich nicht leugnen. Ansonsten gilt: Taylor macht Musik ganz nach eigener Facon.
"Wahnsinn, Wahnsinn über alles!" sagt die gezeichnete, Zigarre rauchende Bluthochdruck-Figur im Booklet - und so will die Musik auch verstanden werden. Robin Taylor hat kein Interesse daran, sich gängigen Mustern zu fügen, sondern macht sein eigenes Ding. Die in der zweiten Hälfte 2005 komponierten, arrangierten, aufgenommenen und gemixten Tracks sind zwar nicht harsche Avantgarde und haben viel zarte Melodie und stimmungsintensive Klanglandschaft, aber weder gibt es hier halbgares oder laues Musikmaterial zu hören.
Die Songs heißen "Misch Musch" (ganz deutsch!), "Eisenbahn mit Sauerkraut", "Karl spielt Klavier", "Noch ein Zahnartzt" (so geschrieben), "Neue Stimmen", "Gesang der Tauben" und "Das Experiment". Hier und dort singen Taylor und Nipper in rhythmischem Sprechgesang deutsche Wörter, so im dritten Track, in dem sie stets "Vater hasst Rhythmus" wiederholen. Das wirkt fast wie ein Mantra und hat esoterische Qualitäten. Heftiger Rock und avantgardistische Materialschlachten finden nicht statt; die CD atmet eher freche, würzige Leichtigkeit, die aus schrägem Musikverständnis, das Inspiration aus der Weite irgendwo zwischen Rock, Elektronik und Jazz zieht, lebt. Entspannt und altklug stolpern die schrägen Songs vor sich hin. Und wenn die Lyrics von "Noch ein Zahnartzt" gesungen werden ("…es tut weh!") und im Off eine männliche Stimme schreit, ist das mit dem stoischen Rhythmus und der schlichten Melodiesprache fast Kraftwerk pur. Fast, denn es scheint, als hätten Kraftwerk und The Residents ein gemeinsames Werk geschaffen. Jazzpuristen und Progfreaks werden von der Stille begeistert sein, die sie empfinden, wenn sie vor der CD geflohen im Garten das wachsende Grün liebevoll betrachten. Die Humorsüchtigen unter den Musikfans jedoch dürfen sich ganz ungestört dem seltsamen Klang hingeben. Danach ist das Grün umso grüner und jeder Wurm ein Wunder!

progressor.net/robin-taylor
VM



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