The Tangent "The World That We Drive Through" (Inside Out 2004)

Ein paar reiche Typen sind bei einem Erdbeben in San Francisco mit ihren dicken Schlitten von einer Brücke gestürzt, mitten hinein in ein bettelarmes Ghetto. Die Leute dort zogen die Reichen aus ihren Wracks und plötzlich gab es eine Berührung, zu der es ansonsten niemals gekommen wäre.
Diese Geschichte ist der Ausgangspunkt für den Zweitling von The Tangent. Projektchef, Keyboarder und Sänger Andy Tillison ließ sich davon inspirieren. "Wir sehen nicht viel von dem, was wirklich in der Welt vor sich geht", mein Andy, "weil wir allzu sehr mit Vorgängen in unserem eigenen Leben beschäftigt sind. Dadurch entgehen uns viele negative, aber auch manch wunderbare Dinge; das Album soll beide dieser Seiten beleuchten."
Die Arbeit wurde wie beim ersten Album "The Music That Dies Alone" (2003) weit voneinander erledigt. Roine Stolt (g, voc), Zoltan Csorsz (dr) und Jonas Reingold (b) spielten ihre Parts in Schweden ein, während die weiteren Musiker Sam Baine (key, voc, PO90D), Guy Manning (g), Theo Travis (saxes, fl, Daevid Allens Gong) und eben Andy Tillison ihre Parts in England aufnahmen.
Das Resultat ist denkbar zufrieden stellend ausgefallen. Allein der Opener "The Winning Game", über 11 Minuten lang mit Roines Gesang…, ein Traum, alle Achtung, das ist ein schönes Teil! Da gibt es jubilierende Gitarren, symphonische Keyboardkaskaden, romantische bis bombastische Parts, die perfekt arrangiert sind; psychedelische Sounds, Canterbury-Jazzrock und stets so eine seltsame, fast schon komische, aber traumhafte Ähnlichkeit zu Van der Graaf Generator (obwohl David Jackson dieses Mal nicht dabei war)! "Skipping The Distance" mit Flöte und kantiger Rhythmusfigur baut auf diese Wurzeln.
"Photosynthesis" hat ein romantisch-lyrisches Motiv. Wieder einmal, wie überhaupt auf diesem Werk, überzeugen Zoltan Csorsz und Jonas Reingold mit ihrem überaus begabten Musikerverstand und technisch perfektem Handwerk. "A Gap In The Night" ist mit 18 Minuten das längste Stück. Der sich langsam entwickelnde und kraftvoll steigernde Song hat wieder dieses Van der Graaf Generator Feeling und ist sehr textintensiv. Der Song baut sich dynamisch auf, bricht in komplexe Progressive Rock Parts aus und fällt melancholisch in sich zusammen, auf dem Grund findet er zu Gesang zurück und von dort geht die Band nach einem traumhaften Roine-Stolt-Gitarren-Solo eine neue Steigerung an. Wie machen die das nur?
Der Titelsong schließt das Album ab. Über 13 Minuten wird eine düstere, leise, bedrohliche Stimmung entfaltet, die nur darauf wartet, hochgefahren zu werden, um gewohnt komplex und laut zu explodieren. Obwohl schon die Gitarrenarbeit von Roine, die stets gut herauszuhören ist, exquisit aus den Boxen jagt, bewältigen doch die Keyboards die Hauptarbeit auf "The World That We Drive Through".
Ursprünglich war The Tangent als Soloprojekt von Andy Tillison geplant und als Hauptkomponist bringt er am meisten Farbe ins Spiel. Einziges Manko ist sein etwas blasser Gesang mit dünner Stimme, was aber längst die guten Attribute der CD nicht kippen kann. Schönes Werk, romantisch und verwegen. Symphonik Rock von seiner heute klangvollsten Seite!

thetangent.org
VM



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