Sylvan "Presets" (Point Music, VÖ: 19.02.2007)

Sylvan sind das beste Beispiel dafür, dass der Erfolg des jungen, neuen Progressive Rock mit dem Erbe des Genres nichts gemein hat. Der Neo Neo Prog ist Romantic Art Pop, kuschelweich, tief lyrisch, voll gestopft mit symphonischem Schönklang und einer Gesangsintensität, wie sie selbst bei Bands wie Marillion, die ich persönlich für alles mögliche (etwa unnötigen Lärm), aber nicht für Progressive Rock halte, nicht vorgekommen ist. Anders gesagt, die vokallastigen Sylvan Epen sind im Prog so etwas wie die treffsicheren Popsongs von Depeche Mode in der Tanzmusik der 80er. Und gewiss haben Marco Glühmann (voc), Matthias Harder (dr), Sebastian Harnack (b), Kay Söhl (g) und Volker Söhl (key) andere Vorbilder, Vorstellungen und Einflüsse als die 80er Neoprog Bands und erst recht die Heavy Bands der alten Phasen in den 60ern und 70ern.
Hinlänglich bekannt ist, das Prog nicht progressiv im eigentlichen Wortsinn ist, sondern nur die Bezeichnung der Schublade, in die man alles Zeugs reinschmeißen kann, das mehr als nötig Keyboards hat - und das zudem die superguten Leckerbissen enthält, die es immer noch gibt, wie etwa Flat Earth Society oder Von Frickle (um nur 2 ganz aktuelle und abseits von Mainstream aktive Bands zu nennen). Sylvan machen im besten Fall Mainstream für Minderheiten, wobei die Poplastigkeit der sphärischen, teilweise überlangen und auch mal dezent angerockten Songs erheblich ist und der Band nicht nur bei Leuten mit komischen Haartrachten, hochgezogenen Socken an kurzbehosten Beinen und T-Shirts, auf denen etwa "Spocks Beard" steht, Erfolg einbringen wird.
Nachdem die allgemeine Rock- und Popmusik seit Jahren jede Menge stilistischer Möglichkeiten in billigster und blödester Weise ausgeschöpft und das Publikum bis an die Kotzgrenze schlecht unterhalten hat, sammeln sich am Rande der komplizierten Musik junge Menschen, die richtige Instrumente zu bedienen perfekt in der Lage sind und den sämtlichen abgenudelten Stilen genug zugehört haben, sich der LPs im Schrank ihrer Eltern besinnen, die sie als Kinder hören mussten und jetzt ihren ganz eigenen Stil entwickeln. Der hat, das ist generationsbedingt, viel Gehalt aus den letzten Jahrzehnten eingesogen, bringt sich aber so kraftvoll und überzeugend und dabei überaus formschön ein, dass die gelangweilte Zuhörerschaft wieder aufhorchen wird und Interesse gebiert. Sylvan, das darf mit einiger Sicherheit angenommen werden, sind zur rechten Zeit am rechten Ort und haben die Qualität und Songdienlichkeit, vermurkste Progfreaks, alte Zottelrocker und rosig junge Rockkadetten mit verwunschenen Sounds zu unterhalten.
Sollen sie. Ich persönlich, wenn ich das hier am Rande erwähnen darf, bin tolerant und lass sie musizieren, während ich mich der Band komplett verschließe und mich rotzfrecher und radikaler Musik widme, die viel mehr Unterhaltungswert hat und die Sinne nicht betört, sondern anspitzt.

sylvan.de
justforkicks.de
VM



Zurück