Fredy Studer / Pierre Favre - "Crisscrossing" (FMR Records, 2004)
Fredy Studer / Hamid Drake / Michael Zerang - "Drummin´ Chicago" (FMR Records, 2005)
Fredy Studer / Robyn Schulkowsky - "Duos" (For 4 Ears Records, 1998)

Wenn die erste Schweizer Garde der Trommeln selbige rührt, dann geht es mir genauso wie besagten Trommeln - ich bin gerührt!!! (In dieser Lobeshymne steckt nicht der kleinste Anflug von Unfug - ist wirklich so.) Die Qualität der Stücke erreicht mindestens das Niveau von Bozzio & Wackerman, ist aber eine ganz andere "Baustelle", d.h. ihr Konzept ist nicht derart stark von Ostinati geprägt wie das der "Drum Workshoppers" und klingt wesentlich luftiger. Außerdem können vor allem beim "A Place Called Nottwil" (dem 2002 tödlich verunglückten Toomas Paiste gewidmet) die Klänge sehr gut atmen, wodurch dieses Stück zur nonverbalen Elegie wird, ohne den Aspekt der Trauer über zu betonen. Vielmehr versetzen Bell- und Gongsounds den Hörer in das Ambiente eines buddhistischen Klosters. Einen Longtrack gibt es auch, nämlich das 14-minütige "Boho Dance". Die Snaredrum-Wirbel zu Beginn erinnern an die weltberühmte Basler Trommelschule und markieren gleichzeitig den Aufbruch zu einer Reise in die Welt der Klänge, welche die beiden Schamanen des Drumsets in die verschiedensten Regionen der Erde unternehmen und in der Tat klingt dieses Stück - nicht zuletzt durch die tribalartigen Rhythmen - geerdet. (Am meisten erstaunte mich dabei die große Ähnlichkeit mit den Kompositionen von Grant Collins. Würde man die Herren Collins, Favre und Studer zusammentrommeln, damit sie genau das tun, so würden sie den BMW der Herren Bozzio, Minnemann und Wackerman vermutlich aus dem Stehgreif überholen, quasi von Null auf Hundertachtzig in einem Li(e)d-schlag. Man könnte fast sagen: "Wer hat´s erfunden, das hochkomplexe und doch eingängige Trommeln - die Schweizer oder die Australier?" Einfach traum(zeit)haft!
"Three Little Stories" durchläuft ein Crescendo vom zarten Flüstern zum harten Schlagabtausch. "Fredy (Part 1)" ist eine von Pierre Favre komponierte Nummer, die er seinem Kompagnon widmet und die - was den technischen Schwierigkeitsgrad des Stückes anlangt - mehr ist, als sie zu sein vorgibt - ganz im Gegensatz zum gesamtgesellschaftlichen Trend. Das Stück "Double Tracking" zeigt eindrucksvoll, wie man während des Improvisierens interagieren kann, ohne jemals die Magie des Moments zu zerstören, wirklich beispielhaft! Zwar hält "Year In, Year Out" für mich als großen Freund von Beckenklängen eine herbe Enttäuschung bereit - es werden nämlich abgesehen von den Hi-Hats kaum Becken gespielt - doch fällt dies selbst für mich nicht allzu sehr ins Gewicht, da diese Komposition so abwechslungsreich gestaltet ist, dass ich stundenlang hätte zuhören können. Nach 43 Minuten und 19 Sekunden ist das "Aurikel" allerdings leider schon vorbei, doch besteht berechtigte Hoffnung auf eine Fortsetzung, da "Fredy" bestimmt noch viele weitere Facetten besitzt, deshalb alle gekreuzten Finger hoch!




Bein zwölfminütigen En-trance "North Damen Trance" fühlt man sich unweigerlich an die Soundscapes der King Crimson-Projekte erinnert, allerdings mit den Unterschied, dass bei dieser Produktion ausschließlich Rhythmusinstrumente verwendet wurden. (Ein Klangkonzept, das gleichzeitig unterhaltende und therapeutische Wirkung entfalten möchte, könnte vom prinzipiellen Ansatz so ähnlich aussehen.) Ein wahrlich progressives Stück Musik!
Ab dem folgenden Titelstück geht das ganze in eine deutlich avantgardistischere Richtung - rhythmische Gefüge beginnen sich aufzulösen und wieder neu miteinander zu verbinden, sei es mittels dreier Drumsets oder mittels Drumset, Tablas und Zither beim "Empty Bottle Flow". (Melodieverwöhnte Fahrstuhlmusikhörer haben sich zu früh gefreut und geraten ins Zittern!) Das Trio interna(tiona)l kreiert ein Ambiente dauerhafter Spannung ohne angespannt zu wirken, weshalb mir "Prima Materia" auch prima gefällt. In wieder konventionellere Gefilde geht es bei der nur von Beckenklängen begleiteten Handtrommelnummer "Six Hands", die eine Spielzeit von über zehn Minuten erreicht. "Blue Ellbow" klingt so, als würde Fred Frith sich an Schlaginstrumenten verlustieren und bei "Candlestick Whistle" pfeift Michael Zerang mit so vielen Stimmen aus dem letzten Soundloch, dass man geneigt ist zu sagen: "Alle Vögel sind schon da!" Ins metallene Flüstern geraten die Trommler im Stück "Three Voices"; passender für das Klangemälde "Movements On Skin" wäre meines Erachtens der Titel "Tree Voices", da es verursacht von verschiedensten Besensounds gehörig im Blätterwald rauscht. Sechs Hände hoch!




Wiederum eine komplett improvisierte CD, die sich auf Schlaginstrumente beschränkt, live aufgenommen mit nur zwei Titeln. ("Duo 1" ist 22 Minuten und "Duo 2" gar 27 Minuten lang.) "Duo 1" ist im ersten Teil stark an die japanische Trommeltradition angelehnt und gefällt gerade auch aufgrund seiner großen Dynamikwechsel, die allein schon die Klasse der Trommler unterstreichen. Minimalistische Phrasen wechseln mit Passagen großer Geschäftigkeit, wobei das Finale hauptsächlich mit Hi-Hat-Klängen bestritten wird.
"Duo 2" ist vom Grundaufbau ähnlich konzipiert, erinnert aber vom Duktus her mehr an Werke von Varese oder Xenakis, also an Formen Neuer Musik, die nicht abgehoben im Vakuum schweben bzw. in purer Abstraktion verharren, sondern durchaus "gefällig" mit Klängen spielen - der "Hurz-Faktor" ist damit gleich Null. Besonders interessant sind die klanglichen Variationen, die von diversen Metallinstrumenten erzeugt werden - da fliegt dir doch das Blech weg! Das Ende wird diesmal durch Gongs markiert, ein in der Tat gelungener Ausklang. Deshalb Hände hoch, um diese Duos gemeinsam mit dem Auditorium dieser Live-Aufnahme zu beklatschen!

fredystuder.ch
pierrefavre.ch
michaelzerang.com
Frank Bender



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