Spaltklang "Lontano" (Fazzul Music 2006)

Schöner Auftakt! Das just einminütige "Antipasto" probiert sich in humorvoll abgedrehter Disharmonie, der erste Teil des vierteiligen "Ein Diner zu Ehren von John Cage" übt sich in atonalem Freudenausbruch. "Primo" als zweiter Teil (und dritter Track auf der CD) wagt sich in abgründige Düsternis, zerrissen und kratzig, diese Unruhenote. "Secondo" (6. Track) reizt melancholische Harmonie aus, lyrisch, disharmonisch und von wunderbarer Eigenart. "Dessert" (9. Track) ist der letzte Teil des Vierers. Es zirpt und piepst zu Bläserlatein (Posaune?), das man glauben könnte, die Volksmusikbuam am Berg wollten auch mal Avantgarde machen. Spaltklang zeigen Sinn für Humor. Bitte beim nächsten Album, wenn man, mit Verlaub, jetzt schon davon sprechen darf, mehr davon!
…der Rest sind normale Songs…
Weit gefehlt! Das ungewöhnlich instrumentierte Quartett Markus Stauss (saxes), Olivier Vogt (vi, va), Stephan Brunner (e-b) und Rémy Sträuli (dr, key) bürstet auch in den langen Tracks kräftig gegen den Strich. Die Harmonien sind ungewöhnlich, nicht auf vorgegebenes Schubladendenken orientiert, bleiben jedoch trotz heftig atonaler und bisweilen freitonaler Melodieexkursionen stets in den Abgedrehtes kennenden Hörer wohlwollend die Hörsinne streichelnden Bereichen. Ähm, soll heißen, ist schräg, hat Witz und Power und legt volles Rohr los, ohne dass das Gehirn jede Sekunde dreiviertel intellektuelle Sprünge machen muss. Kurz: man kommt mit!
Es gibt nichts an dem kräftigen Gebläse und Gestreiche, was ein Rockfan, der, sag ich mal, Prog-Jazz mag, (ist ja nicht verboten, so was zu sagen) nicht annehmen könnte. Nicht nur die fette rocktypische Rhythmusfraktion, gewiss mit differenziertem, kraftvollem Spiel, unterstützt den grandiosen, eingängigen Charakter der Musik. Es ist dies das Saxophon- und Bratschen-Spiel auch an sich. Die Melodiebögen, rhythmischen und motivischen Brüche und Übergänge haben viel großes, aufwändig harmonisches Gehalt in aller vulkanartigen Mordsenergie und "schrägen" Art.
Spaltklang rocken schön heftig, auch ohne Gitarren. Der herb-feine Klang der Bratsche und der herb-harte Klang der Saxophone, beide sind selbstbewusst und dynamisch gespielt, fließen mal, stocken mal, brechen die melodische Struktur oder ergeben sich improvisativ in blitzschnelle Läufe. Geht gut ein, bleibt hängen und bietet ein abstraktes Klanggebäude, das witzig und fein unterhält.

fazzulmusic.ch
VM



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