Soft Machine "Drop"
CD: (Moonjune Records, 20.01.2009)
LP: (Sireena Records, 24.04.2015)

Das Label Moonjune Records hat das musikalische Schaffen Soft Machines in den Fokus der Veröffentlichungen gestellt. Zwar existierte die Band nicht lange, und Moon June, das seinen Namen aus der Robert Wyatt Komposition "The Moon in June" bezog, konzentriert sich besonders auf die Zeit zwischen 1969 und 1972, aber die diversen neuen Inkarnationen der Bandwiederauferstehung, die es in der Zukunft kaum noch geben können wird, da die alten Mitglieder keine Lust dazu haben, schwer erkrankt oder bereits verstorben sind, sind immer noch aktiv, machen Aufnahmen, gehen auf die Bühne und ins Studio. Und schaffen so Material, dass das Label, neben der Arbeit diverser weiterer Bands und Musiker, zum Interesse der Allgemeinheit veröffentlichen kann.
"Drop" nun ist eine Liveaufnahme, die im Herbst 1971 auf Tournee in Deutschland mitgeschnitten wurde. Soft Machine wurden von der Jazzpresse damals zuerst als "Pop-Gruppe" gesehen, und das ist nicht das gleiche, was es heute bedeutet. Auch Black Sabbath waren eine Popgruppe. Die 10 Songs auf diesem Album, das klangtechnisch hervorragend remastert wurde, zwar keinen Studiosound präsentieren kann, aber ansprechend und klar im Klang wirkt, sind stark Free Jazz - bezogen.
Es war die Zeit, in der Robert Wyatt nicht länger Schlagzeuger der Band war, nach seinem Selbstmordversuch im Rollstuhl saß [so kann man falschen Informationen aufsitzen und verträumt Falschmeldungen streuen: weder saß Robert Wyatt zu dieser Zeit im Rollstuhl, sondern hinter der Schießbude seiner neuen Band Matching Mole (2LPs sowie 2 Live CDs), noch war sein 1973er Fenstersturz ein Selbstmordversuch, er war schlicht betrunken, als er aus dem Fenster fiel... - ich hätt's wissen können - vielen Dank an Achim Breiling]. Der von der Band favoritisierte John Marshall konnte nicht engagiert werden, war verhindert, er hatte einen Vertrag mit der Jack Bruce Band. So kam es dazu, dass die Band für die Herbsttournee durch Deutschland Phil Howard engagierte, der von August 1971 bis Januar 1972 in der Band blieb und, was Studioarbeit betrifft, lediglich die Stücke auf Seite 1 des 5. Albums eintrommelte.
Elton Dean hatte Howard vorgeschlagen. Die beiden waren es auch, die die Tournee am stärksten betonten und beeinflussten, beide hatten zu der Zeit die Vorstellung, möglichst Free Jazz - nah zu spielen.
Deans radikale Saxophon- und Saxelloläufe, sein abstraktes Spiel auf dem elektrischen Piano (neben Mike Ratledge, der zudem seine Lowrey Orgel spielt und Hugh Hopper, der seine Bassläufe exzellent und furios einbringt) und Howards ausgefallenes, freies Schlagzeugspiel machen die Aufnahmen auf "Drop" zum weiteren Livematerial der Band so unvergleichlich. Die Virtuosität ist enorm, die melodische Freiheit radikal und anarchisch. Ratledge zeit sich vom Vorhaben Deans und Howards angesteckt. Seine wilden Läufe auf der Lowrey Orgel kennen keine harmonischen Grenzen. Die Band klingt wie ihre eigene Avantgarde-Ausgabe. Was sie im Vergleich zum damaligen Jazzrock sowieso schon waren, erfährt hier eine unglaubliche Übersteigerung. Die insgesamt improvisative Spielweise des Vierers muss für das Publikum überraschend hart ausgefallen sein. Die heutige progressive Musikszene kann erschreckt nur von Avantgarde sprechen.
Der Katalog Soft Machines ist enorm. Es gibt erheblich viel mehr Livematerial als Studioaufnahmen. In unterschiedlichster Qualität. Gewiss sind Aufnahmen verfügbar, die klangtechnisch besser sind als die dieser Herbsttour 1971. Wer die Band jedoch außer Rand und Band hören will, sollte sich "Drop" nicht entgehen lassen. "Drop" ist Wildwuchs ohne ökologischen Zaun darum.

2015 nun legt Sireena Records das Album auf LP neu auf. Die LP-Seiten sind dabei gut gefüllt. Seite A, 4 Songs, ist 29:57 Minuten lang, Seite B, 7 Songs, 29:55 Minuten. Auf dem 180 gr. schweren, roten Vinyl (limitiert!) klingen die Aufnahmen aus dem Herbst 1971 großartig. Mit der LP ist es, als komme das Album aus der Anonymität. Zwar ist auch die CD haptisch zu erfassen. Doch das Cover der LP in der Hand - kein Vergleich! Sireena-Ton-Guru Marlon Klein (Label-Info) bereitete die Aufnahmen für die LP akribisch vor. Das ist zu hören.
Wirkt ansteckend. Für ein paar Tage vergaß ich, was digitale Downloads sind (kann so bleiben). Und hatte nicht eine CD in der Hand.

sireena.de
moonjune.com
VM





Zurück