simakDialog "The 6th Story" (Moonjune Records 2013)

Im Erbe politischer und wirtschaftlicher Demokratisierung in immer mehr Staaten der Erde und im Zusammenhang mit kultureller Liberalisierung wachsen nicht nur Missstände wie riesige Firmengiganten oder Fressverkommenheit wie McDoof, alltäglicher Popmusike, Umweltverschmutzung, Kriminalität, etc., sondern auch gute Dinge, die Befreiung der Kultur von diktatorischer Doktrin etwa, die Chance jedes Einzelnen - und die Weltwerdung von Jazz und Rock (was gewiss Musikinteressierte anderer Sparten als eher schlecht werten werden) - simakDialog hätten kaum so ‚amerikanisch' geklungen in den 1970ern, wenn es sie denn dann schon gegeben hätte. Gutes Beispiel sind Spanien oder Südamerika, wo Musiker in anderen Staaten als ihrer Heimat lebten, um die Musik produzieren zu können, der ihre Kreativität entstammte, weil zuhause Diktatoren hausten.
simakDialog leben in Jakarta, und seit die leider wieder verflossenen Discus (RIP Anto Prabo) mit ihren beiden Alben auf sich aufmerksam machten, sog sich eine Szene in Indonesien mit europäischer und amerikanischer Musik voll, die von vornherein sehr farbenfroh und auseinandersetzungswillig war. Jazz, Rock, Progressive Rock, die schier unglaublich vielfache und besonders abstrakte und kunstvolle Folklore des Vielvölkerstaates Indonesien mit zahllosen Sprachen, Kulturen und Mentalitäten vermengen sich auf für europäische Ohren seltsame Weise. Alles scheint möglich.
Und so klingt "The 6th Story" wie Return To Forever auf indonesisch. Riza Arshad (keys) und Tohpati (g) sowie Bassist Adhitya Pratama sind die Jazzer, während die drei Perkussionisten Endang Ramdan (Sundanese kendang Perkussion, linker Kanal), Erlan Suwardana (Sundanese kendang Perkussion, rechter Kanal) und Cucu Kurnia (‚assorted metal percussion') die Weltmusiker sind. Was manchmal etwas gehaltlos oder dudelig wirkt, ist die Melodiearbeit der Jazzer, die es dem gemächlichen Tun der Trommler gleichtun und in verworren ausgedehnten Motiven kopflos spazieren. Keyboards und Gitarre gehen dabei ihre eigenen Wege, was eine gewisse harmonische Konfusion nach sich zieht, die, wie in "Harmologic" (…) den roten Faden erstaunlich locker lässt. Dabei fängt das Album mit dem 10:01 Minuten langen "Stepping In" drahtig an. Die belebt-nüchterne Rhythmuscrew lässt sich auch in aufgeputschten Phasen nicht aus der Ruhe bringen, während Riza Arshad seinen Tasten tief in den frühen Siebzigern steckende Fusionsounds abverlangt, die unisono mit der Gitarre oder in gegenläufigen Schnellmotiven zwischendrin an RTF denken lässt. Echte Schlachten bleiben dabei aus, stets schwingt auch in der Aufregung noch diese gewisse lässige Nüchternheit mit, die simakDialog eher zu Jazzern als Rockern macht. Zum anderen ist die harmonische Abfolge Jazzrock-zwölftonig, milde zwar, aber bestimmend.
Die überwiegend langen Songs bauen auf ein Grundmotiv, das neben Return to Forever auch Santana in den Genen hat, der Latineinfluss legt sich auch auf die Rhythmusarbeit, ohne indes für krasse Verrücktheiten zu sorgen, die Rhythmiker ruhen in sich selbst. Es sei denn, die Band spielt einen forschen Song, zu dem vitaler Rhythmus gehört, aber auch hier wirkt die Handperkussion eher mildernd als dynamisierend.
Neun rein instrumentale Songs hat die 59:53 Minuten lange CD drauf. Farbenfrohe, überwiegend nachdenkliche Stücke mit verrückten melodischen Läufen und entspannter Perkussion. Die Abwesenheit des für das Abendland gewohnten Schlagzeuges hat schon Charme, verhindert aber, dass die Songs so richtig ins Ohr wollen. Latin- und Fusion-Einflüsse bestimmen die Songs, und doch ist der Charakter eher Ethno-Jazz betont. Mystisch, der Sound. Und, wie es im Booklet steht: spirituell.

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VM





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