Secret Oyster "Sea Son" (CBS 1974, The Laser's Edge, Euro-VÖ: 30.05.2006)

"Sea Son" wurde 1974 von CBS veröffentlicht. Neben Claus Bøhling (g), Karsten Vogel (sax) und Kenneth Knudsen (key) waren nun Jess Stæhr (b, Burnin Red Ivanhoe) und Ole Steenberg (dr, Coronarias Dans) mit von der Partie. Für Steenberg war es das erste Mal, Rock zu trommeln, in der Band davor hatte er Folk gespielt. Interessanter Weise war auch der erste, originale Schlagzeuger Bo Thrige Andersen (wie jetzt Bassist Jess Stæhr) von Burnin Red Ivanhoe zu Secret Oyster gewechselt, hatte jedoch Probleme mit Drogen und war nicht mehr in der Lage gewesen, in der Band zu spielen. Das neue Line-Up sollte 3 Jahre halten.
Stilistisch waren Secret Oyster im Einzugsbereich von Mahavishnu Orchestra und Return To Forever angesiedelt, ihr Jazzrock hatte nicht die grandiose Heavyness des Mahavishnu Orchestras und nicht die differenzierte Komplexität von Return To Forever, war aber dennoch von ganz besonderer Qualität.
Die instrumentalen Songs haben hochenergetische Spannung, grandiose Melodiebögen und ungemein Intensität. Über allem steht die Qualität der Komponisten Vogel, Bøhling und Knudsen. Jedes Thema klingt wuchtig und differenziert zugleich, die großen Themen bieten Raum für Soli (so das schier endlose Gitarrensolo im über 9-minütigen "Mind Movie") und feinfühlig gespielte, knifflige und expressive Melodieebenen("Painforest"). "Pajamamafia" könnte als Paradebeispiel für Jazzrock aus den 70ern stehen; Rhythmus, Motiv und Soli sind ganz typisch dafür, und doch längst nicht Allerweltsware. Beeindruckend stets der mitreißende, vitale Rhythmus, auf dem diverse Interplays abgefeuert werden. "Painforest" beginnt klassisch instrumentiert, ein entrücktes, nachdenkliches Motiv, das auch im Charakter klassisch ist. 2 Violinen, Viola und Cello tragen das Thema eindrücklich vor, Kenneth Knudsen kommt mit seinen Keys hinzu und trägt das Motiv markant weiter, bis die Band einsteigt. Die Streicher bleiben im Off stets präsent, die balladeske Stimmung ist einzigartig und sehr ausdrucksstark.
Zu den 6 Songs der originalen LP, die etwa 36 Minuten ausmachen, gibt es angenehmer Weise 3 Bonusstücke, so dass die CD auf eine Spielzeit von 49 Minuten kommt. "Sea Son" als kürzere Variante von "Pajamamafia" (das ist die Variante von Claus Bøhling, "Pajamamafia" war von Bøhling und Knudsen komponiert worden, zwei Kompositionen gingen in der LP-Version auf) sowie Alfresco Part I und II sind hörbar zur gleichen Zeit in den gleichen Sessions eingespielt worden und passen ideal zu den anderen Tracks. "Alfresco II" ist für meinen Geschmack viel zu kurz, nach nur 2 Minuten ist das dramatische, hochenergische Monsterstück leider schon wieder zu Ende, live wird die Band daraus gewiss eine ellenlange Orgie gemacht haben, die Note hat das Zeug dazu.
Der Klang der kompletten Produktion ist gut bis sehr gut, etwas alt, dunkel und schwer, aber gut zu genießen.
Ich bin von der Band vollkommen begeistert und muss die CD unbedingt empfehlen. Wer auf progressiven Jazzrock aus den 70ern steht, sollte dieses feine Teil ebenso testen, wie den Erstling der Band, "Vidunderlige Kælling", das bereits vor einiger Zeit bei The Laser's Edge erschienen ist.

lasercd.com
VM



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