Joseph Schwantner "Velocities; Concerto for Percussion; New Morning for the World" (BMG 1997)

Joseph Schwantner versuchte sich zunächst im Jazzbereich als Musiker (Gitarre und Tuba) und Arrangeur, wechselte dann aber in den "seriösen" Bereich, absolvierte ein Studium in Komposition (inklusive Promotion) und gehört seit 1970 dem Lehrkörper der renommierten Eastman School of Music (University of Rochester) an, doch er ist trotz alledem kein "akademischer Langweiler", wie man vermuten könnte, sondern schreibt äußerst lebendige Werke. Drei davon sind auf dieser CD vertreten, die vom National Symphony Orchestra unter der Leitung von Leonard Slatkin eingespielt wurden - mit Ausnahme des Solostücks "Velocities" für Marimba. Hier glänzt die Ausnahmekönnerin Evelyn Glennie mit einer sensiblen Interpretation der technisch in höchstem Maße fordernden Komposition, die von ständigen Wechseln (Klangfarben und Taktarten) geprägt ist und die Vorstellung perlenden Wassers generiert.
Auch im Konzert für Percussion und Orchester ist Glennie die Solistin; das Perkussionsensemble ist unter anderem um ein Klavier und eine Harfe erweitert. Der erste Satz ( Con forza) wird in der Tat zur Tour de Force für Glennie, muss sie doch neben Marimba und Xylophon noch etliche Trommeln sowie einen zweioktavigen Satz Krotalen spielen, da sie als "Motor" das Orchester antreiben muss. Dafür wird ihr im zweiten Satz (Misterioso), der sich langsam entwickelt und auch den Tönen Zeit zum Atmen lässt, deutlich mehr Ruhe gegönnt. Durch das langsame Tempo und die dunklen Streicherwolken und Bläserschwaden ist die Stimmung hier meist unheilgeschwängert. Das "Finale furioso" im dritten Satz (Ritmico con brio) gönnt der Solistin, die an dessen Beginn ihre improvisative Seite ausleben darf, wiederum kaum eine ruhige Sekunde. Sie hat in dessen Verlauf einen ausgiebigen Soloteil zu absolvieren, der mit einer "vollen Breitseite Trommelfeuer" der allerfeinsten Sorte garniert ist und zugleich in die kurze Schlusssequenz überleitet, die nochmals ein akustisches Ausrufezeichen setzt.
New Morning for the World: "Daybreak of Freedom" schrieb Schwantner als Reminiszenz an Martin Luther King, einen "Mann von großer Würde und mit viel Mut, den ich schon lange bewunderte". Dieses Stück arbeitet mit einem Erzähler, der Fragmente aus den Reden Kings rezitiert. Im Zusammenklang mit dem Orchester entsteht dabei ein fast permanentes "Gänsehautgefühl", das überaus bewegende Bilder vor dem inneren Auge des Hörers entstehen lässt und daran erinnert, dass menschliche Größe weder an Religion noch an Hautfarbe gekoppelt ist und Kleingeister jeglicher Couleur seit jeher eingeschüchtert und zu gewaltsamen Reaktionen veranlasst hat, wodurch diese selbst die Würde, die sie ihren Opfern zu nehmen suchten, verloren. (Die von ihnen ermordeten Menschen aber wurden nicht selten erst durch ihren Tod unsterblich und mit ihnen ihre Ideen.)
Die kathartische Kraft von Kings Worten wird von Schwantners Musik in ihrer Wirkung geradezu potenziert; sie erzeugt dabei ein wahres Wechselbad von Stimmungen durch Kontraste in Tempo und Dynamik und endet schließlich in einem von Schwantner als "himmlischer Chor" bezeichneten Summen der Orchestermusiker.

Frank Bender



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