Klaus Schulze "Moondawn" "Angst" "Das Wagner Desaster Live" "Vanity Of Sounds" (1976, 1984, 1994, 2000, Revisited Rec., VÖ: 12.12.2005)

Die vierte Serie des umfangreichen Katalogs an Wiederveröffentlichungen des deutschen Elektronik-Pioniers Klaus Schulze, die am 12. Dezember 2005 veröffentlicht wurde, ist mit eben den Tributen ausgestattet, die schon die ersten Serien interessant machen: luxuriöses Digipack mit Hochglanzdruck, informatives Booklet, die wie Schallplatte aussehende CD mit Rillenaufdruck, das Remastering und natürlich die Bonustracks, die bei bisher allen Reissues dieser Serie üppig ausgefallen sind (wozu zumeist ein Stück ausreicht, dank der langen Spieldauer der Tracks).
"Moondawn von 1976 kommt so auf eine Länge von 74 Minuten, neben den beiden sphärischen Space-Elektronikern "Floating" (27.13) und "Mindphaser" (25.35) ist als Zugabe "Floating Sequence" (21.11) enthalten, eine bisher unveröffentlichte Aufnahme von "einem der vielen unveröffentlichten Stereobänder" der "Moondawn" - Session, die mit dem Bonustrack der 1995er "Moondawn" Auflage nicht zu vergleichen ist. Hier war Harald Grosskopf am Schlagzeug das erste Mal involviert. "Moondawn" war damals schon ein Hit unter den Elektronik-Freaks und galt nicht nur in der französischen Szene als Meisterwerk.
Album Nummer 17 in der Klaus Schulze Diskographie ist die Filmmusik für den Krimi "Angst". Schulze spielte Electronics, Linn Drums und Fairlight. Den fünf Songs der LP ist "Silent Survivor" (satte 31.40 Minuten lang) als Bonus beigefügt, das mit den Stücken der LP nicht zu tun hat, aber in etwa derselben Zeit, der ersten Hälfte der Achtziger, eingespielt worden ist und eine ähnlich düstere, schwere, lyrische, harmonisch kuschelige und doch spannende Atmosphäre hat. Die fließenden Motive der LP-Tracks haben so gar keine emotionalen und hektisch auflösenden Ausbrüche, sondern bleiben im steten Fluss (anders als die Italiener Goblin, die für etliche B-Movies die Musik lieferten und ungemein spannende und rhythmisch wie motivisch gebrochene, überbordende und mit der Spannung des Films inszenierte, nervös machende und geniale Motivwechsel inszenierten). "Angst" ist dennoch auf Grund seiner dunklen Kompositionen ein musikalisch ergreifendes Werk, dem die blassen Linn-Drums eine eigenartig epische, faszinierende Weite geben.
"Das Wagner Desaster" ist ein Album aus dem CD-Zeitalter; 4 Tracks auf Disk 1 und samt Bonustrack 3 Stücke auf Disk 2 füllen gigantische 154 Minuten an. "Wagner", "Nietzsche", "Liebe" und "Hass" sind 4 jeweils fast 30-minütige Stücke aus einer Session, wobei "Session" bei Klaus Schulze etwas anderes ist, als bei der Allman Brothers Band, wohl aber den Zeitraum und die Intention markiert. Auch "Entfremdung" und "Versöhnung", die kürzeren Stücke der CD, jeweils um 10 Minuten lang, sind wie die anderen Tracks von verfremdeten Opernstimmen, klassischen Passagen, die wie ein Crash in die Musiksuppe klatschen, harmonischen oder plötzlich krachenden Samples eingebracht. Teilweise wirkt das wie ein Einbruch in eine andere Welt, eine Vermischung grundsätzlich unterschiedlicher Stile. Doch es gibt eine harmonische Ergänzung, die erst etwas gewöhnungsbedürftig klingt, dann aber logisch und höreinfacher wird. Die Klassikgilde wird dieses Werk wohl kalt lassen, für Elektronik-Freaks jedoch haben die klassischen Samples und harschen Einbrüche gewiss große Faszination. Bonus "Encore Sevilla" stammt aus einem Konzert, das im Oktober 1991 mitgeschnitten wurde. Das Stück beginnt psychedelisch-nervös und wird bald romantisch-sphärisch. Das lange Motiv wird durch etliche interessante Samples aus Sounds, Stimmen und akustischen Gitarrentönen unterhoben, eine unterhaltsame Bereicherung für die einlullende Komposition. Der Klang der Aufnahme lässt etwas nach, ist aber ohne weitere Klangeinbuße gut anzuhören.
Die Fotos im Booklet des 2000er Schulze Werkes "Vanity Of Sounds" sprechen eine beredte Sprache. Klaus Schulze ist entweder tief in konzentrierter Arbeit versunken, eingehüllt von elektronischen Equipmentbergen und diversen Tasteninstrumenten, wo er keine Außenwahrnehmung mehr kennt, oder aber er steht mit Zigarette locker mit Leuten in der Gegend herum, sichtlich entspannt und doch nur darauf wartend, endlich wieder an die Tasten gehen zu können. "Vanity Of Sounds" ist mittlerweile Album Nummer 84, nach persönlicher Klaus Schulze - Zählung. Wieder machen nur wenige Stücke die CD voll. Die 4 Tracks bringen es auf fast 79 Minuten. Kurze Kompositionen sind nicht die Welt von Klaus Schulze.
Der Soundmaster webt psychedelischen Schönklang mit Ethnosounds und arhythmischen Donnereinbrüchen zusammen, lässt zarte Harmonien über die Minuten streichen, denen er im Off harsche Töne beimischt. Kein weiterer Electronic Musiker scheint diese tiefe Inspiration zu haben, die nach Jahren noch frisch und ausdrucksstark klingt. Sein Markenzeichen ist die epische Schwebe, die er mit allerlei düsteren, krachenden oder klassischen Sounds unterfüttert.
"Vanity Of Sounds" war die erste CD in der CD-Box "Contemporary Works", die im September 2000 veröffentlicht wurde und längst ausverkauft ist.

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