Schnellertollermeier "X" (Cuneiform Records 2015)


"Schneller, toller Meier!" Andi Schnellmann (b), Manuel Troller (g) und David Meier (dr), allesamt um die 30 Jahre jung, sind mit dem perfekten Bandnamen geboren worden. "X" ist das dritte Album der Schweizer Combo, ihr erstes auf Cuneiform. Genannt nach dem zentralen (Eingangs-)Stück der Platte, deren vier Teile den vier Armen des X entsprechen, wie die Band meint, donnert hier ein hochenergetischer, dynamisch rasanter und alle Genres überschreitender Rock aus den Boxen, der Jazz, Minimalismus, Experimentelles, Noise, Punk, freie Improvisation, Avantgardistisches und Elektronisches auf sehr moderne, eigenwillig krasse und ungewohnte Weise vereint. Gewiss ist dieser Pfad noch neu, doch artverwandte NeuRocker wie Zs, Marc Ribot's Ceramic Dog oder Charlie Looker beschreiten parallele Universen. Und ganz exzellent arbeitete Pierre Vervloesem artverwandte Strukturen wie der Schnellertollermeiers aus.
Andi Schnellmann kann auf ein Diplom der Jazz School of Lucerne verweisen, tourte mit dem Schweizer Popsternchen Sophie Hunger. Letzteres tat ebenso Gitarrist Manuel Troller, der mit Fred Frith studierte, mit dem amerikanischen Jazztrommler und -komponisten Gerry Hemingway ebenso arbeitete wie mit der Nik Bartsch's Jazz-Funk Crew Ronin Rhythm Clan. David Meier spielte im Improv-Ensemble Things To Play, mit Day & Taxi, Trio Riot - und etlichen weiteren.
2006 gegründet, spielte das Trio 2008 das Debüt "Holz" ein, dessen Einflüsse von Tim Berne über John Abercrombie bis Mr. Bungle reichen. Der heftige Mix aus schwerem Rock mit krassen Jazzeinlagen und abgefahrener freier Improvisation machte die Band zur Underground-Sensation. "Zorn einen ehmer üttert stem!!" (2010) zeigte Einflüsse zeitgenössischer klassischer, minimalistischer und experimenteller Musik ebenso wie Noise Rock.
Auf "X" nun geht das Schnellertollermeier-Trio tiefer in Jazz hinein, wildert in experimentellem Rock mit improvisativen Soundscapes auf sehr moderne, abgefahren schräge Weise. Schnellertollermeier planten die Studio-Situation akribisch, nahmen mit mehr Mikrophonen auf als je zuvor (allein das Schlagzeug wurde mit 14 Mikrophonen ausgestattet) und gaben Acht darauf, die Einspielung in natürlichster Brillanz aufzuzeichnen.
Der zwanzigminütige, die CD eröffnende Titeltrack nimmt sich die Zeit, in minimalistischen Schleifen die Serpentinen hochzufahren und mehrere monoton stoische Muster übereinanderzuschichten. Bis sich fast der Eindruck einstellt, Ziel der Übung sei es, in schwerste Heavy Metal Gefilde einzubrechen. Was dann nicht geschieht. Die blechern kratzige Gitarre doktort am einem nervösen Thema herum, während die Etage erreicht wird, auf der die minimalistischen Strukturen sich auflösen und die Energien als freie Radikale sich aufmachen, den tonalen Raum zu erleuchten.
Während der belgische Gitarrengott und Extravagandist Pierre Vervloesem seine ähnlich gelagerten Sperenzchen weitaus feiner ziseliert, das minimalistische überwiegend weglässt und die Sekunden pausenlos mit klitzekleinen Ideen unterhält, wird hier eher empathischem Noise gefrönt, der ins Laute hochfährt, zu sphärischer Lyrik wird, die Themenlage austauscht und jazztrunken weiterarbeitet. "X", der Song, könnte durchaus als Klangausdruck dafür gelten, wie es ist, wenn man sich betrinkt. Die verschiedenen Level, die emotionalen Berg- und Talfahrten, die euphorische Stimmung, das schwermütige Versinken und die Unwägbarkeit der vielleicht eintreffenden Situationen. Schnellertollermeier fahren schweres Gerät auf. Um noch einmal den Vervloesem-Vergleich zu bemühen: wenn jener mit einem edlen Sportsmobile über Asphalt flitzt, bringen diese ihren Schwerlast-Truck in Schwung. Es dauert länger, in Gang zu kommen, wie es ebenso länger dauert, das Monster wieder zu stoppen. Der Vergleich ist also relativ, vom Mond aus gesehen aber schon ziemlich getroffen.
Deutlicher wird diese Nähe aber in den weiteren fünf, zwischen zwei und achteinhalb Minuten langen Tracks. Hier gehen Schnellertollermeier nicht mit schwerstem Gerät zur Sache, und die Vielzahl der Extravaganzen, Gitarrensounds, Bassspritzer und Schlagzeugvariabilität ist weitaus komplexer, verrückter und verspielter angelegt. Extraordinär harter Sound, jazzschräge Abfahrten, krass flexibles Poltern, Donnern und Bersten sind für Freunde harter, lauter, freakshowesker Ohren schon ganz gutes Material. Schon überzeugend exzellent!
Und wie nach Veröffentlichung der vorherigen Platten wird das Trio auch dieses Mal in der Schweiz und auf Festivals touren, die neuen Kompositionen ins Auditorium zu schütten.
Der Welt bessere Musik zu geben.
"Schneller, toller Meier!"

schnellertollermeier.com
cuneiformrecords.com
VM



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