Sanhedrin "Ever After" (Fading Records 02/2011)

Sanhedrin sind in Tel Aviv, Israel, zu Hause. Als Camel-Coverband gestartet und zwischenzeitlich aufgelöst, gibt es Sanhedrin bereits seit längerer Zeit wieder, längst unabhängig vom Vorbild und nicht darauf orientiert, Songs nachzuspielen. Gadi Ben-Elisha (e-g, acc-g, mand), Sagi Barness (b), Aviv Barness (keys, sax), Igal Baram (dr, perc) und Shem-Tov Levi (fl) schrieben acht Songs, die als symphonisches Gesamtwerk einen sehr guten Eindruck machen. Gewiss ist Camel als Inspiration deutlich herauszuhören; King Crimson, Genesis, Pink Floyd ebenfalls, weniger Gentle Giant, Van Der Graaf Generator und Jethro Tull, als weitere Vorbilder nennt die Band Asia Minor und Änglagård, und wenn man will, können gewiss einzelne Parallelen ausgemacht werden, die aber nicht kräftig und deutlich zu erkennen sind. Samt ihrer Gäste Michael Lam (Englischhorn) und Elinoy Yogev (Fagott) spielt die handwerklich illustre Band einen facettenreichen, überwiegend lyrischen und schöngeistigen Symphonic Prog, der nie banal ist oder durch Allgemeinplätze auffällt, sondern charmante und eindrucksvolle Kompositionen und Arrangements präsentiert, die in der Überzahl sanft und sphärisch sind. Über dem schweren, steten Keyboardteppich (mit Mellotron-Sounds) arbeitet die Band auf knackigem, satten Rhythmusgerüst - samt differenzierten Breaks und Rhythmuswechseln, druckvoll und virtuos gespielt - herzhaft und frisch. Gitarren, Mandoline, Keyboard und Flöte bauen den melodisch-harmonischen Rahmen aus, partielle ethnische Einflüsse sind gut eingebaut, ohne jedoch direkt und markant im Mittelpunkt zu stehen. Hin und wieder sind mittelalterliche Strukturen im Folk-Gewand ausgebaut, die ins Symphonische schwenken und den stilistischen Raum weiter und reicher machen.
Das Album ist rein instrumental, die überwiegend zwischen fünf und acht, bis fast 12 Minuten langen Songs haben reichlich wohl komponiertes Material. Nichts klingt gedehnt oder auf Breitwand gemacht.
Die Songs haben Vorbilder in der alten Szene, sind soundtechnisch aber nicht auf retro getrimmt, alte und neue(re) progressive Stile spielen miteinander, sind eng verwoben, machen den Klangraum groß und satt. Die Band bleibt stets im symphonischen Raum, samt aller weiteren Einflüsse, die Einspielung ist sehr klar und räumlich aufgezeichnet und auffallend gut gemixt worden, Udi Koomran hat ganze Arbeit geleistet. Hin und wieder, wenn eine Idee etwas schwelgerisch wird oder ins Liebliche rutscht, die Gefahr besteht, dass ein Part beliebig werden könnte, setzt die Band genau dann mit rhythmischen Akzenten an, lässt knackig frische Motive und instrumentale Vielfalt sich entwickeln, in denen jazzige Interplays spannende Eckpunkte setzen. Die stets eher gemächlich, nie hektisch oder wild agierende Band lässt sich Zeit für ihre besonderen Ideen und - wie bei Camel - funktioniert der Wechsel vom lasziv Symphonischen ins (eher) Dramatische exzellent.
Geübte Symphoniker alter Schule brauchen ein paar Hördurchgänge, sich in den etwas sehr schönen Sound einzuhören. Wer lyrischen Sound mag und kratzige Atonalität verabscheut, wird die Band mit ihrem kraftvoll klaren Werk vollauf lieben. Camel-Jünger werden erstaunt und begeistert sein.

altrock.it
VM



Zurück