Jason Robinson "Fingerprint" (Circumvention Music 2008)

So brav? So eingängig? Jason Robinson spielt Post Bop und Modern Jazz wie zu Zeiten der früheren 1970er Jahre. Die freien Partikel, zu denen es sporadisch im verzwickten, die innere Energie immer stärker antreibenden Ensemblespiel kommt, werden zurückgenommen - oder die Songs schließlich gar ausgeblendet. Es kommt nicht zu unspielbaren Monk-Phantasien am Piano, noch selbst Robinson bläst sein Tenorsaxophon, wie bereits von früheren Veröffentlichungen bekannt, aggressiv, über den melodischen Ton hinaus. Die 6 langen Stücke erinnern mit ihrem Swing-basierten Rhythmus, ihrer flüssigen, melodischen Struktur und den "zivilisierten" Soli eher an Gil Evans als an die freie Improvisation, die Jason Robinsons abstrakte Musikarbeit ansonsten auszeichnet.
Doch brav oder eingängig sind die Stücke dennoch nicht. Das ist nur der erste Eindruck. Schon beim zweiten Hördurchgang entpuppt sich Opener "The Wiggle Room" als kraftvolles Thema, in dem Piano und Tenorsaxophon dynamische Unisonoläufe veranstalten, die tief in den Bann ziehen und eine Ahnung von Fusion verbreiten.
Jason Robinson meint, es sei stets die Vielfältigkeit, die ihn interessiere, die ihn reize, nicht allein die Ausübung freier Avantgarde, das atonale Improvisieren im inspirierten Ensemble oder das musikalische Arbeiten zwischen Elektronik (Laptop) und Avant Jazz.
So ist dieses Werk eine Hommage an seine frühen Einflüsse. Und die Intensität, mit der die Band hier spielt, ist außergewöhnlich. Ob das Nathan Hubbard ist, der so fein und klar den Rhythmus spielt, dezent, genau die richtige Tonfülle treffend, die Motive antreibend oder ausfließen lassend, ob Kamau Kenyatta, der mit fester Hand und lockeren Gelenken diese süßen Disharmonien zu magischen Melodien fügt, oder Rob Thorsen, der dem akustischen Bass mal lebhaft-knarzige, mal sanfte, voluminöse Töne entlockt. Nicht anders die diversen Gäste an Blasinstrumenten oder Piano (wenn Kamau Kenyatta Jason Robinson mit dem Sopransaxophon Paroli bietet), die im dritten Song, dem Zentrum der CD, "Silence Becomes a Roar", im großen Ensemble gemeinsam über die Stränge schlagen und tatsächlich ungestüm und - wie in verbundener Trance - wild ins laute, vitale, freie Feld ausbrechen, was nach über 11 Minuten wohl nicht anders als mit Ausblenden zu stoppen war.
Im 14-minütigen "Forest Cover" wird noch einmal ein abstraktes, wildes Thema angegangen, atonal, disharmonisch, mit Feuer im Blut. Doch hier geht das - kleinere - Ensemble den Ausbruch nicht mit dieser Verve, diesem Übermut, dieser Unhaltbarkeit an und zelebriert eine hochprozentige Orgie, die im melodischen Rahmen bleibt und exzellente Soli präsentiert, wie ganz zu Beginn Rob Thorsens ebenso grandioser wie leiser Bassausflug in die Stille. Brav und eingängig sind die falschen Begriffe. Intensität und Intimität treffen es viel genauer. Unbedingte Empfehlung!

jasonrobinson.com
circumventionmusic.com
VM



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