Percy Jones - Scott McGill - Ritchie DeCarlo "Third Transmission" (Uniblab Recordings 2015)
Percy Jones - Scott McGill & Ritchie De Carlo "The Debut" (Uniblab 2008, remaster 2013)
Ritchie DeCarlo - Week (Uniblab 2013)
Michael Bernier & Ritchie DeCarlo - same (Uniblab 2014)


My dear, Jazz! Powerjazz, genauer gesagt. Ganz genau: High Energy Fusion. Jazzrock der ausgefallenen, kraftvollen Art. Von Musikern, die nicht nur ihr Handwerk verstehen und Meister darin sind, sondern ROCKEN. Percy Jones (einstmals Brand X usw.) ist mit seinem Fretless Bass enorm zugange, Scott McGill arbeitet sich extrem jazzradikal und hart spielend an Gitarren und Gitarrensynthesizer ab, Ritchie DeCarlo trommelt wie ein Weltmeister und bespielt zudem Theremin, Modular Synthesizer, akustisches und elektronische Perkussion. Als Gast (in nur einem Track) ist Chris Bacas zu hören. Angegeben ist, dass er Woodwinds spielt, auf dem Bild ist er mit Sopransaxophon zu sehen - und schließlich auch zu hören.
9 instrumentale Powertracks sind auf der CD zu finden, die 61:27 Minuten Musik enthält. Mit dem 5:14 Minuten langen "Dark Disciple" geht es gleich grandios los. Ritchie DeCarlos Schlagzeugspiel ist allererste Jazzrock-Sahne, ungemein kraftvoll und hochenergisch, laut, dramatisch und wild verspielt auf fettem Groove - alle Achtung, der Mann kann alle Facetten. "Yo Cath!" im Anschluss verrät eine weitere Facette der Band: elektronische Sounds. Der Schlagzeuger beweist ein erstklassiges Händchen für ausgefallene und zugleich unterhaltsame elektronische Sounds, die unterfüttert mit Samples, einen starken Aspekt in den Jazzrock geben. Akustische Tracks (tatsächlich mit Lagerfeueraspekt), dramatisch Abgefahrenes, die ganz große Jazzschräglage im harmonisch melodischen Bereich (vor allem Gitarre, ebenso das Sopransaxophon), lyrische Interplays, radikal Rockendes, wild Vermengtes und überaus Glühendes machen das kraftvolle Album mit seinen zwischen 3 und 12 Minuten langen Songs satt und überraschend. Noch einmal: Ritchie DeCarlo mit seinem Powerdrumming ist die beste Wahl, wenn Jazz rocken soll.
Absolute Empfehlung!

Das 2008er Debüt des Trios Percy Jones, Scott McGill und Ritchie DeCarlo wurde - remastert - 2013 neu aufgelegt und ist für Jazzrock-Süchtige nur allerbestes Futter. Das Trio rockt, arbeitet abstrakt und radikal, powert vital und macht lauten, feinsinnig derben Krach, der exzellent in die Ohren geht und vor allen denjenigen unter den Jazzrockern gefallen wird, die besonders kompositorisch ausgefallenes und zugleich extrawildes Zeug mögen. Hört euch nur den Opener "Last Bus From Chernobyl" an - ob die es damals wirklich so schnell geschafft hatten, der Hölle zu entfliehen? Esoterisch Lyrisches mäandert weltmusikalisch in die Weite, elektronische Sounds unterheben den fetten Jazzrock, schwere Sounds erinnern in "Slaggie Maggie" im Gitarrensound an Jimi Hendrix, während Schlagzeug und Bass neben dem bluesigen Ton abstrakt Jazz hartrocken. Was für eine Energie! Pausenlos donnert das Ensemble, dass selbst balladeske Themen radikalisiert werden. Und wenn im fusionesken "Last Tango In Cell Block H" filmmusikartige Keyboards arbeiten, erscheint John Coltranes "A Love Supreme" als Mantra am Himmel, das Trio anfeuernd. Danach muss "Napoleon Blownapart" über fast 10 Minuten für die nächste Radikalkur herhalten, was enorm gut gelingt. Percy Jones' großartiges Slapstick, McGills abstrakte Melodiearbeit und das vitale Getrommel des elektronisch versierten Akustikers DeCarlo ackern sich tief und intensiv ein! Das "T.S.M. Requiem" zuletzt, als letzter der 7 Tracks und 41:09 Minuten CD-Spielzeit, ist ein sphärisch schwebendes Stück, das Electronics und Jones-Bass grandios darstellen. Perfetto!

10 Songs und 75:49 Minuten Spielzeit machen das 2013er "Week (not weak)" Album des Schlagzeugers Ritchie DeCarlo aus, der hier mit einer Fülle erlesener Jazzrocker arbeitet: David Fiucynski (fretless b), Michael Manring (fretless b), Michael Bernier (many Chapman sticks, Soundscapes), Pat Mastelotto (dr), Markus Reuter (U8 Touch g), Percy Jones (fretless b), Scott McGill (g), Martin Peters (synth) und Tim Garton (woodwinds, saxes). DeCarlo selbst arbeitet am Schlagzeug, Chapman Stick, Synthesizer, Electronics, der Metasonix Wretch Machine, WaveDrums, analogen Sequenzern, TrapKat DrumKit [im Duo mit Pat Mastelotto], snare drum und allerlei Perkussion.
Stilistisch geht "Week" in den lyrisch esoterischen Bereich, wenn Jazzballaden und elektronische Sounds das Sagen haben, das Ganze ist als Jazzrock energisch abgeschmeckt und stets schön dynamisch bis heftig; sowie in den wild abstrakten Bereich, wenn eine Komposition sich als heftiger Rocker herausstellt, die extrem jazztrunken donnert. Besonders ansprechend sind stets die Motive, in denen der Schlagzeuger DeCarlo wildert und seine Begleiter rasant und süffig jazzrocken. Die elektronischen Sounds machen ihren guten Eindruck und beweisen lyrisches Klangverständnis, sind allerdings längst nicht so stark und saftig wie die kantigen Jazzrockstrecken.
In langen Songs, überwiegend zwischen 7 und 9 Minuten dauernd, auch darüber und darunter, geht es niemals mild oder zahnlos zu. Alle Facetten, ob elektronisch, weltmusikalisch, jazztrunken oder rockhart, sind stark und prägnant ausgebaut. Wenn alle Argumente ineinanderfließen, ist der Sound am stärksten. Und am allerfeinsten ist das hochenergische, technisch extrem versierte Powerhouse-Schlagzeugspiel des Chefs Ritchie DeCarlo.

Und noch ein Album gibt es zu bestaunen. Das 2014er titellose Werk des Duos (plus) von Michael Bernier und Ritchie DeCarlo. 7 Tracks, 42:36 Minuten Spielzeit. Michael Bernier spielt Chapman Stick und akustische Gitarren, Ritchie DeCarlo akustisches und elektronisches Drumset, Michael Manring ist in zwei Songs als Fretless Bassgast an Bord.
Der rasante Jazzrock steht hier mit einem Faible für neueren King Crimson-Sound an. Jazzrock muss sich nun mit Electronics, harschem KC-Rock und modernem Gefüge die Aussicht teilen. Die Songs klingen genauso intensiv, aber weitaus weniger jazzlastig, dafür umso rockkantiger und - eingängiger. Schon der Opener "Catastrophist" zeigt eine starke Neigung zum crimsonesken Kosmos, wie er in den 1980ern und 1990ern vom Original mit dezenter New Wave- und Popnote gespielt wurde. Doch dabei bleibt es nicht. Wiederum arbeitet das Duo-Trio saftigen Jazzrock aus, allerdings in der Tat etwas leichter, eingängiger, in Einspielung, Klang & Mix. Da ist ein Draht zur Filmmusik zu erkennen, zu Fernsehpausenhintergrundmusik auf jazziger Basis. Da wird zwar immer noch spannend und kraftvoll gearbeitet, aber bei weitem weniger heftig intensiv als auf den anderen hier vorgestellten Alben. Bis DeCarlo die Nase voll hat und zu "Canterbury Undertow" anhebt. Da ist die Kraft, ist der Saft, hier ist die Dynamik, das Powerhousedrumming, die Energie, der Jazz. Zwar ist der Titel etwas irreführend, für Progexperten, denn Canterbury liegt örtlich wie hörtechnisch auf einem anderen Erdteil, doch die Energie, die Rasanz, das Besondere! Grandios!!!
"Fugue" zwei Tracks weiter setzt noch einmal in gleicher Art an, ohne den Höhepunkt einholen zu können. Indes ein weiterer interessanter, leider auf Viertel geerdeter Rhythmussong mit hohem Energiepegel. "Cyber-Toothed" ist eine weitere Dynamik-Attraktion, die den ersten Höhepunkt stark attackiert und nur knapp verliert. Die fast 11 Minuten des abschließenden "Apporaching The Gates" zehren sich in elektronischem Geist aus. Ansprechend, aber bei Weitem nicht so interessant wie die energischen Jazzrock-Tracks.
Ganz deutlich sind das aktuelle "Third Transmission" sowie "The Debut" die stärksten der vier vorliegenden Alben. "Week" folgt leicht abgeschlagen und selbst das 2013er Album ohne Titel zeigt starke, kraftvolle Facetten.

Ritchie DeCarlo sei unbedingt empfohlen!

facebook.com/ritchie.decarlo
progarchives.com/artist.asp?id=4209
VM



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