Rewiring Genesis "A Tribute To The Lamb Lies Down an Broadway" (Prog Rock Records 2008)

Was mag einen Musiker dazu treiben, ein Werk anderer Künstler neu einzuspielen? Zudem ein weltbekanntes, dessen einzelne Töne, Harmonien und Arrangements sich in den Ohren der geneigten Hörer fest verankert haben und die solch Treiben kritisch, obgleich lüstern betrachten?
Macht es Sinn, sich diese mühsame Arbeit zu machen, Musiker und Studio zu ordern und bezahlen, Monate aufwendiger Arbeit in das Projekt zu stecken, wobei nicht abzusehen ist, wie viel Erfolg der Umsetzung der Idee beschieden sein wird? Hat dieser Musiker nix zu tun? Keine eigenen Ideen? Wie viele Musiker und Techniker mussten involviert sein, diese Neuaufnahme gelingen zu lassen? Es spricht für einige Besessenheit, sich dieser Aufgabe zu widmen, und die Sache mit Energie und Verve so durchzuziehen, dass das Resultat kein blasser Abklatsch, kein Möchtegernpomp und kein anbiedernder Kitsch wird. Sondern ein in eigener Dynamik lebendiges, lebhaftes Stück Musik.
Es war der Traum von Nick D'Virgilio (voc, dr), Spock's Beards quirligem Neu-Chef, der als Session-Musiker nicht nur bei Mike Keneally glänzt und vielen Projekten auch abseits von progressiver Rockmusik zu technischer Qualität verhilft. Gemeinsam mit Mark Hornsby, einem Studiobesitzer, der allerlei bekannten und erfolgreichen Bands und Musikern seine Räumlichkeiten lieh, hat D'Virgilio das Genesis-Werk, die Kompositionen nahezu unberührt lassend, ein komplett neues Arrangement geschrieben, das hier und dort kleine Rock- und Poprefrains intoniert, Bläser und Streicher weite Passagen gestalten lässt, Saxophonsoli, Hardrock, Jazzpop und viel gut versponnenes Ideengut in das große Werk einfügt und selbstbewusst zu Werke geht, dass der Ansatz schon mal gelungen ist. Die 2CD wird zu einem guten Zeitpunkt veröffentlicht. Die grüne und begehrteste aller Genesis-Boxen mit den digital remasterten Alben ihrer Hochphase auf CD, SACD und DVD (inklusive des "The Lamb…" Albums) hat den endlosen Appetit und die zähnefletschende Lust der Masse auf die originale Band und ihre kunstvolle Musik wieder einmal neu geschürt, was diesem Werk durchaus Aufmerksamkeit zukommen lassen wird. Zudem waren die alten Recken mal wieder auf konzertanter Erlebnisreise, was sich in Unmengen an DVDs, CDs und Bootlegs niederschlägt. Da wird auch noch genügend Geld drin sein, sich dieses kleine, feine Neuwerk einzukaufen, das dem Klassiker frechen Atem und vitalen Witz gibt.
Alles ist gleich, alles ist neu. "Needles and Pins", "Broadway", "It's only Rock'n'Roll, but I like it" - die kleinen Zitate bringen etwas Witz und Schwung in das aufwendige, große Stück Musik. Über 90 Minuten lang intoniert die Band alle Songs und Strophen des Originals. Die Songs klingen hier und nun nicht nur anders, weil andere Musiker, andere Handwerker die Stücke eingespielt haben. Die haben auch noch eigene Ideen einfließen lassen. Am besten gefällt mir die ausführliche Arbeit der Bläser, die eine frische und ganz eigene Atmosphäre aufkommen lassen und die universale, wenn der Begriff erlaubt ist, Qualität des Originals erkennen lässt. Daraus könnte man auch mexikanische Folklore oder schwedisches Düstermetal machen. Vielleicht gar Techno - oder Rap. Wenn man es drauf hat. Wie Nick D'Virgilio.
Genug der Worte. Gutes Teil!

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VM



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