Potty Umbrella "Forte Furioso" (Wetmusic Records 2007)

Kamen in den 90ern aus Polen vor allem exzellente Neo Prog Kapellen, scheinen jetzt die Heavyrocker ihre Fühler erfolgreich zum Prog auszustrecken. Potty Umbrella nennen ihre Musik selbst "ActivePsychoTrans enriched with Electro Jazz". Das ist umständlich lang, machen wir PsychoJazzProg draus, ist schon mal kürzer.
2003 aus den Resten der Bands "Something Like Elvis" und "Tissura Ani" gegründet, haben Potty Umbrella 2006 ihr Debüt eingespielt. Gleich nachdem "All You Know Is Wrong" veröffentlicht worden war, gingen Slawomir Szudrowicz, Maciej Lukasz Szymborski, Lukasz Przycki, Piotr Waliszewski und Artur Mackowiak, wer welches Instrument bedient, ist auf der CD nicht angegeben, die Songs ihres Zweitlings "Forte Furioso" an. Die Stücke sind druckvoller, emotionaler, virtuoser und im Unterschied zu denen des ersten Albums rein instrumental.
Die 10 Songs bringen es auf 60 Minuten, sind zwischen 2 und 8 Minuten lang. Gitarre, Keyboard und die nervös-hektische, dabei laut und führend an die Front gemixte Rhythmusfraktion Bass und Schlagzeug spielen strenge, leidenschaftliche, ideenreiche und ungewöhnliche Stücke. Es gibt keine besonderen Komplexorgien, die Stücke sind epischer Natur. Mal klingt so ein Track eher wie Psychedelic Rock, dann wieder wie Jazzrock oder symphonischer Prog. In keinem Fall jedoch gibt es irgendwelchen Parallelen zu anderen Bands. Inspiration scheint aus Metal, Alternative Rock, Jazzrock, Jazz, Psychedelic und marginal Prog zu kommen. Auch Techno-Fantasien lassen sich ausmachen, die jedoch nicht im Rhythmus, der ist stets virtuos und in keinem Fall eindimensional (oder nulldimensional), sondern aus melodischer Eintönigkeit sich speist, und variabel verulkt wiederkehrt. Zwischen den melodisch eingängigen, trotz aller Lautstärke eher sanften und nachdenklichen Stücken stecken auch einige Avantgarderocker, die schräg und wild klingen und einiges anarchische Chaos anklingen lassen. Die Einflüsse aus dem Jazz/Jazzrock sind tief in die Arrangements verwoben und kommen vor allem im grandiosen Bassspiel hervor, aber auch in einigen kniffligen Disharmonien.
Die Songs haben starke Emotionen, wecken frohe, wohlige, wie ebenso düstere, negative Gefühle. Obwohl es keine Soli im herkömmlichen Sinne gibt, nur Rudimente davon, hier mal ein Basssolo wie einst bei Collegium Musicum, Synthesizer-Spielereien wie in der Elektronik oder Gitarrenexkursionen wie im Psychedelic Rock früher Gong, aber nur in Ansätzen. Das sticht aus den vollen, lauten Stücken nicht hervor. Eher ist die Gruppendynamik von großem Eindruck. Fast könnten diese Stücke Science Fiction Filmen als Filmmusik dienen. Moderne Ideen und alte komplexe Rockvorstellungen treffen in einem eigenwilligen, schrägen Ideengut aufeinander, und schaffen den Soundtrack aufgelöster Zukunftsphantasien. Die Band ist bereits mit der Musik für ein Theaterstück beauftragt worden, der "Hamletmaschine" von Heiner Müller und ist von Filmdirektoren angesprochen worden, die Musik der Band in ihren Filmen verwenden will. Progfans, die gern einen Blick in artverwandte Genres werfen und vor Grenzen keine Scheu haben, Alternative Rocker, die auch mal Psychedelic und Jazz mögen, überhaupt aufgeschlossene, neugierige Musikfreaks sollten "Forte Furioso" unbedingt antesten. Erst beim zweiten/dritten Hören gehen die Songs richtig auf, dann aber wollen sie immer wieder ins Ohr. Begabte Band!

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VM




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