Phideaux "Ghost Story" "Chupacabras" "313" (Bloodfish 2004/05/06)

Nach eigenen Angaben ist Phideaux eine "lose anarchistische Truppe" um Namensgeber Phideaux Xavier (voc, g, b, p, mel, key) und Schlagzeuger Rich Hutchins. Die beiden, viele Freunde und diverse weitere Musiker kreieren unter dem Namen Phideaux mysteriöse, melodische und vielseitige Musik, die man ganz nach Belieben, wie die Band meint, Space Folk, Klassikrock oder Progressive Rock nennen kann.
Als Einflüsse sind etliche Bands angegeben worden, das geht von frühen Genesis bis Biglietto Per L'Inferno, von Dead Can Dance über Van Der Graaf Generator bis The Cure und Sparks. Nach Selbsteinschätzung klingt das, was Phideaux spielen, wie Pink Floyd, Jethro Tull, David Bowie oder Moody Blues. 1992 wurde das Debüt "Friction" veröffentlicht, dann folgte eine lange Pause, nach der Phideaux richtig loslegten. In kurzer Folge wurden "Fiendish" und "Ghost Story" 2004 und "Chupacabras" 2005 veröffentlicht, zu Anfang 2006 folgte "313" (das sich three - thirteen liest), gleich darauf folgte (und ist auch schon veröffentlicht!) "The Great Leap", für demnächst ist "Doomsday Afternoon" angekündigt. Aktuell besteht die Band, die sämtliche Alben unter eigener Regie veröffentlicht und keine Unterstützung durch ein Label oder ähnliches hat, aus Rich Hutchins (dr), Phideaux Xavier (voc, g, b, key), Gabe Moffat (prod, dobro), Molly Ruttan Moffat (voc), Linda Ruttan Moldawsky (voc), Ariel Farber (voc, vi), Valerie Gracious (voc) und Julie Hair (b, voices, effects).
Ursprünglich von John Lennon und Alice Cooper inspiriert, war Phideaux Xavier, der in New York City aufgewachsen ist, seit früher Kindheit bereits in diversen Bands und Projekten engagiert und hat stilistisch von Punk über Pop bis Progressive Rock alles Mögliche gespielt. 1996 trafen Phideaux und Rich Hutchins aufeinander, seitdem legen sie alles darauf an, Heavy Melodic Progressive Rock zu spielen.
Drei der diversen Alben liegen mir vor. "Ghost Story" von 2004 beinhaltet 9 melodische Rocksongs, die allesamt sehr schön gespielt und zumeist von zarter Lyrik sind. Phideaux rockt nie wirklich hart, akustische Gitarren und verspielte Keyboards verhindern das, zudem sind die Arrangements eher vielschichtig angelegt. Am härtesten ist wohl das Schlagzeug bearbeitet worden, ausgezeichnet differenziert und von großer Dynamik. Das brauchen die Songs auch, das gibt ihnen kraftvolle Basis und entzieht dem Hang der Band, zu poppig und niedlich zu klingen, die Basis.
Deutlich interessanter und kraftvoller ist das Nachfolgewerk "Chupacabras", das auf den ersten Eindruck hin klingt, als hätte die Band alles Progressive zusammengesammelt und auf einem Album als Einheit veröffentlicht. Wie bereits auf dem Vorgängerwerk "Ghost Story" sind die kritischen Lyrics von großer Aussagekraft und Melancholie.
Der kurze Opener "Okay" könnte glatt von einem Frühsiebziger Italoprogwerk stammen, Goblin lässt grüßen. Nach der knappen Note gibt es den 20-minütigen Titeltrack, der schöne Motive hat, weniger symphonisch als üblich im Progressive Rock ist, dafür vital, knackig und kurzweilig, und mittendrin ein exzellentes Folkmotiv auslebt. Allein dieses Werk ist die CD schon wert. Im Vergleich zum Vorgängeralbum ist die Steigerung immens, als hätten zwei völlig verschiedene Bands die Alben eingespielt.
"Party" fällt etwas ab, der Track erinnert zu sehr an einen Dancefloor-Track aus den 90ern, ist vermutlich die "verrockte" Variante. "Fortress Of Sand" ist sphärische Lyrik pur. Sehr anmutig, die 5-minütige Melancholie. Daraufhin folgt das 3-teilige "Ruffian of the stairs", das im ersten Part erstaunlicherweise richtig heftig rockt und wie ein Mix aus Punk und Prog klingt, so heftig war die Band zuvor nicht, schwerer Rickenbacker Bass und jazzige Harmonien führen das wilde Motiv gut voran, im zweiten Part überwiegt zarter Folkrock, der allerdings von Metallica inspiriert scheint. Im dritten Teil fließen die Motive ineinander, mit schwerer Orgel und der zurückhaltenden Aggressivität des differenzierten Rhythmusspiels glaube ich jeden Moment, wieder die brutale Härte des Beginns zu erwarten, aber daraus wird nichts. Die 10 Minuten sind grandios und von fabelhafter Ausdruckskraft. Mit "Titan" folgen noch einmal 5 eindrückliche Minuten, versponnen und sphärisch. Der Bass trägt mit hypnotischem Spiel das Motiv, von wenigen Gitarrentönen im Off begleitet, jazzige Keyboardharmonien finden sich ein, doch trotz dynamischer Steigerung bis zu gewisser Härte und einiger Wildheit bleibt das Stück leise und lyrisch. Toll gemacht, fabelhaftes Album.
Schon auf "Chupacabras" wurde das Follow-Up "313" angekündigt. Das Booklet ist bunt wie ein Comic, sehr verspielt und künstlerisch wie die Musik. Die 13 Songs sind allesamt kurz und von melodischer Klangschönheit, viel poppiger als sämtliches Material auf dem Vorgängerwerk, aber nicht weniger eindrücklich. Diverse Stimmungen werden eingefangen und mit viel Finesse ausgedrückt. Lyrisch und symphonisch mit mehr Mellotron als auf den Alben zuvor (das vergaß ich ganz zu erwähnen, ja, die Band spielt viel [echtes] Mellotron!). Wieder einmal ist das differenzierte und kraftvoll akzentuierte Schlagzeugspiel von großem Eindruck. Die Motive bewegen sich zwischen überzeugender Melancholie und forscher Fröhlichkeit. Das erinnert hin und wieder an das Electric Light Orchestra (in deren frühen Tagen) oder an Peter Frampton. "313" ist das vitalste und eindrücklichste der drei Alben. Trotz der starken Popseligkeit wird die CD auch geneigte Prog-Freaks erfreuen können. Zu witzig und angenehm sind die Songs, um sie abzulehnen. Überwiegend herrscht wieder die zarte, sphärische Stimmung vor, die mal fast wie New Wave klingt, mal schwerer Symphonic Rock ist oder fern irgendwelcher Stilnötigung einfach großartig klingt. Fabelhaft gespielt, tiefgehende Stimmungen und überzeugende Lyrik - das sind die großen Pluspunkte des Albums. Beeindruckende Band!

VM



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