Phase 7 "Strange Particles - Original Soundtrack" (Eigenproduktion 2000)

"Strange Particles", so ist im Booklet der CD zu lesen, ist ein experimentelles Konstrukt für Schlagwerk, Wind Instruments, Elektronik und Bewegung. Leider kann letztere aufgrund des Mediums nicht beurteilt werden, was ich sehr schade finde. Allerdings enthält dieser Live-Mitschnitt auch ohne die visuelle Komponente noch genügend Kaufanreize! Phase 7 ist eine in Berlin beheimatete, kosmopolitisch arbeitende Künstler-Vereinigung, die den blutleer gewordenen Begriff "Gesamtkunstwerk" wieder mit neuem Leben erfüllt, denn unter der Gesamtleitung des Choreographen und Regisseurs Sven Sören Beyer entstehen immer wieder regelrechte Feste für die Sinne. (Mir sind DVD-Aufnahmen, die hoffentlich bald das Licht der Öffentlichkeit erblicken werden, bekannt, die ich für geeignet halte, den Kunstbegriff zu erweitern.) In diesem Fall zeichnen sich Markus Hauke, Wolfgang Fischer und Matthias Baumhof für die Komposition verantwortlich. "energie I" beginnt als verhaltene, aber durchaus reiz-volle Interaktion zwischen Schlagwerk, Gebläse und Elektronik, gewinnt im Verlauf sukzessive an Intensität - nimmt gar die Form einer polyglotten Kommunikation an - um gegen Ende wieder im Nichts zu verschwinden. Ein Musterbeispiel für eine gelungene Soundscape! Trommeln und Saxophon bestimmen den Charakter des folgenden "autismus" und lassen hörbar werden, was sich im Kopf eines infolge medialer Reizüberflutung zum Autisten gewordenen Individuums abspielen kann. Die Ambivalenz der postmodernen Mediengesellschaft wird hierbei - vermutlich auch im Wortsinne - kritisch beleuchtet (leider nicht hörbar). "Annäherung" ist ein Saxophon-Solostück von melancholischem Charme. Im sich anschließenden "f-a-b-s" führt das Saxophon einen von aufwühlenden Emotionen (Trauer, Verzweiflung, Aufbegehren, Hoffnung, Fatalismus…) begleiteten Dialog mit einem (E-)Piano. Eine Gongdrum bildet den "puls", mit sich die Kommunikationsstrukturen permanent neu vernetzen; dieser Titel besitzt Motive, die stark an die japanische Trommeltradition erinnern. In "sensor I" dominieren maschinelle Klänge - metallisch wirkende Geräusche (Schlagwerk und Elektronik) verschmelzen zu einer Legierung, die bedrohlich wirkt und auch als Musik für einen Cyber-Horrorfilm, der auf subtile Schockwirkung setzt, geeignet wäre. "zen III" zeigt Metall-Sounds von einer gänzlich anderen Seite - hier erzeugen Glocken, Chimes und Steeldrum, begleitet von Flöten, eine Stimmung, die tatsächlich zen-trierend wirkt und zum Meditieren bzw. Reflektieren einlädt. Den Abschluss, quasi die tonale Konklusion bildet "matrixx", die Mutter aller artifiziellen Realitäten mit einer Sogwirkung, der man sich akustisch kaum zu entziehen vermag. Diese CD wird - in positiven Sinne - zu einer Tour de Force für die Ohren. Kopfhörer auf, Augen zu und durch! Mehr davon!!!

phase-7.de
Frank Bender



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