phaedra "the sea" (rune grammofon, VÖ: 18.03.2011)
Jæ "Balls and Kittens Draught and Strangling Rain" (Hubro, VÖ: 07.01.2011)

Die zwei Interpretinnen Phaedra und Jæ haben unterschiedliche Ansätze, verschiedene Charaktere, Visionen und Stile, Stimmen und Ideen, und doch etliche Parallelen und ‚gleich gesinnte' Qualitäten, dass beide in einer Review vereint sein können.

Phaedra ist die in Oslo, Norwegen lebende Sängerin, Songwriterin und Künstlerin Ingvild Langgård, die mit diversen Musikern, die hier und da an der Einspielung der Songs mit vielfachem Instrumentarium beteiligt waren, die 8 Songs ihres Debüts eingespielt hat. Ihre Stimme ist das Zentrum der Songs, und doch ist die instrumentale Begleitung längst nicht nur schmückendes Beiwerk. In melancholisch-düsteren Farben erzählen die Songs im stilistischen Mix aus Folk, Blues und Psychedelic mystische Geschichten. Die Stücke sind hochmelodisch, aber längst nicht wie in der Popmusik eingängig oder nach kreischendem Erfolg schielend. Phaedra setzt sich ein musikalisches Denkmal, denkt gewiss eher an die volle Erfüllung ihrer Ideen und an Unabhängigkeit vom Lärm allgefälliger doofer Radiomusikke. Ihre helle Stimme hat Charakter, eine gewisse dunkle Note, klingt alt und reif, kernig und lebenserfahren. Alle Songs sind tief lyrisch, und selbst die vielen ausgefallenen Instrumente, wie Vibraphon, Zither, Harmonium, Mbira oder Echolette neben den eher ‚normalen' Instrumenten setzen harmonische Akzente, ohne in den Fokus, in den Mittelpunkt der Stücke zu rücken. Alles umrankt Phaedras Stimme, und so entsteht ein in seiner verwischten Dunkelheit und psychedelischen Laszivität fast mythisches, spirituelles Album. Phaedras Themen sind physische und spirituelle Metamorphose, der Tod, die andere Seite, der Verlust der Seele.
Ein beeindruckendes Album voll zarter berauschender Musik, die nie süß und kitschig wirkt, sondern eher kantig, anspruchsvoll und charakterstark.

Jæ ist der Künstlername der ursprünglich aus Utrecht, Holland, stammenden Musikerin, Songwriterin und Sängerin Jessica Sligter, die in ihrem Heimatland Musik studierte, keine Gleichgesinnten fand und diese dann gezielt in Oslos junger Jazz- und Improvisationsszene fand. In Amsterdam fühlte sie sich einsam, in Oslo sprach sie Leute aus dem Underground an und wurde so mit vielen unterschiedlichen Künstlern bekannt, von denen etliche partiell Anteile an ihrem Debütalbum haben.
Die 10 Songs auf ihrem ersten Album sind alles andere als glatt poliert. "I'm more interested in character" meinte sie in einem Interview. Der Albumtitel - kein Song auf der CD trägt diesen Namen - vereint diverse unterschiedliche Stile. Die Basis ist Folk, dunkel und getragen, typisch für Norwegen, darüber hinaus ist unsagbar viel zu entdecken. Um es an Stilen festzumachen: Jazz, Improv, Ambient, Singer/Songwriter. Ebenso weit entfernt von Pop wie phaedra sind diese eigen- und einzigartigen Songs seltsam verrückte und künstlerische Miniepen zwischen nachdenklicher Dunkelheit und fast naiver, fröhlicher Liedhaftigkeit in aller Stimmgewalt und Chorpracht.
Die instrumentale Begleitung ist längst nicht allein Schmuck und Tapete, sondern hat harmonische, lyrische Funktion und macht den Klangrahmen mit minimalistischen, epischen, kraftvollen bis verhangen zarten Motiven reich und schön. Jæs Songs sind greifbarer und klarer als die von phaedra, nicht schöner, aber eingängiger.
Beide Alben sind ungewöhnlich. Weit entfernt von alltäglichem Girlie-Pop und oberflächlichem Kitsch haben beide Alben starken Charakter, faszinieren mit Stimmen, Instrumenten, Kompositionen und sympathischen Ideen in tiefer Lyrik und Melancholie.

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VM



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