On Dog [Part I - Sloeback] [Part II - White Horsey Y La Rumba] (Ilkmusik, 10.06.2013)

Wie Bandname und Albumtitel verraten, grassiert hier höherer Wahnsinn. Gut so. Das befördert das Musizieren und verzahnt den Club der Besessenen. On Dog ist ein ernsthaftes Unternehmen, das nicht herumalbert und aus der anspruchvollsten Note noch mit Sinn und Idee düsterste und leichtsinnigste Strukturen befördert, die stilistisch ganz Jazz sind, tendenziell zur Avantgarde neigen, in der Besetzung eher Kirchenchor als Big Band sind und doch brassiges Volumen entwickeln, das Freude macht, unterhält und in aller harmonischen Extravaganz keine kreischigen Free-Attacken zelebriert. Eher ist dem italienisch-luxemburgisch-dänischen Konglomerat nach abstrakter Komposition, die intim verzahntes Gebläse konzentriert mit großer Spannungskraft und überwältigender Anziehungskraft bietet, vielfach sanft und lyrisch, dann kraftvoll und expressiv; und in allem stets abstrakt krass und (jazz)melodisch bleibt.
Drei italienische Bläser - Piero Bittolo Bon (as, b-cl, fl), Francesco Bigoni (ts, cl) und Beppe Scardino (bar-s, b-cl) und die beiden Rhythmiker Mark Solborg (g, moog) und Marc Lohr (dr, electr) sammelten so viel Material, dass sie es auf zwei CDs packten, die einzeln angeboten werden. Album Nr. 1 ist das pinke "Sloeback", 8 Stücke und 46 Minuten lang. Bigoni und Solborg sind die Komponisten, wobei mir wiederholt auffällt, wie ansprechend Marc Solborg komponiert und sich selbst mit seinem Instrument im Hintergrund aufhält. Die Bläser betonen vorn am Bühnenrand jeden Moment beider Alben, umspielen sich vital bis elegisch, kreuzen sich in dramatischen Disharmonien, peitschen die Szenerie zu allegorischen Kaskaden hoch und lassen den Sturm in abstrakt schrägen Melodiebögen abschwellen. Solborg macht unterschwellig Krach, das Schlagzeug poltert, die Bläser steigen über Stock und Stein, die Tendenz zum Avantgarde Rock ist nicht von der Hand zu weisen, was den Mitarbeitern gewiss schnuppe ist und wohl nicht der Übung Ansporn war.
Schön, diese kraftvollen Tracks; lebhaft, mitreißend, überzeugend. Gleichfalls schön diese seltsam aufgeregten balladesken Stücke, deren krasse Melodiearbeit unnachahmbar grandios gelungen ist. In aller Lyrik ist stets sehr viel Leben, in allem Lärm fröhliche Düsternis.
CD2 ist mit 6 Tracks und 38 Minuten kürzer ausgefallen, weniger intensiv keinesfalls. Unisono-Phantastereien, lebhafte melodische Umspielungen - als tobten Entenküken durch ihren Sommertag. Dramatische Schwere eröffnet das Album. Schön, dass die lebhaften Frohnaturen es so düster schwerfällig angehen. Kaum lange indes, bald schon machen sie sich auf ins Freie und erkunden die noch weiße Landkarte, machen mit neugieriger Leichtigkeit ihre beeindruckenden Entdeckungen. Die Songs sind kernig, die tonale Welt typisch europäischer Modern Jazz, die Klanglandschaft beider Alben ein (jazzdis-)harmonischer Abriss zeitloser Moderne. Der klare Klang der Aufnahmen, die Unverfälschtheit der Instrumente, das forsche, drahtige Musizieren, die kluge Komposition, die Neugierde gebärenden Bandinterplays und die allgemein interessanten Arrangements werden das On Dog - Projekt hoffentlich so erfolgreich machen, dass das Ensemble den Weg durch europäische Clubs geht.
Unbedingte Empfehlung!

solborg.dk
francescobigoni.tumblr.com
ILKmusic.com

VM





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