Nil "Nil Novo Sub Sole" (Unicorn Digital, VÖ: 01.08.2005)

Auch Nil sind ein neues Signing des ausgezeichneten kanadischen Labels Unicorn Digital. Die Franzosen hatten seit 1999 zwei konventionelle CDs eingespielt und später mit "Quarante jours le Sinaï" ein ambitioniertes Konzeptalbum vorgelegt, das ihnen die Tür zum Gouveia Artrock Festival in Portugal öffnete (das Konzert ist auf der DVD des 2003er Gouveia Artrock Festivals festgehalten).
Nil sind David Maurin (g, fl), Samuel Maurin (b, stick, synth), Benjamin Croizy (synth, p, mel), Roselyn Berthet (voc) und Frank Niebel (dr, perc). Ihr neues Album startet die Band mit dem 20-minütigen "Le Gardien". So lang das Werk ist, so verschachtelt, komplex und progressiv ist es auch.
Prog-Freaks werden schon bei diesem ersten Stück entzückt sein und die intensiven emotionalen Höhen und Tiefen des Songs lieben. Mal komplex und heavy, dann lyrisch und leise breitet sich diese Lichtgestalt an Progressive Rock über seine gesamte Zeit aus: selbstbewusst, eigen, verspielt, komplex und stets leidenschaftlich und kraftvoll. Was für ein Opener, in allen seinen Facetten und Emotionen von großer Kraft und Dynamik!
Stilistisch ist das nicht so leicht festzumachen. Nil lehnen sich nicht an einen großen Namen an, sondern fiebern durch das gesamte Gebiet des ambitionierten Progressive Rock. Es gibt keine Pop- oder Mainstream Ambitionen, solcher Art findet hier nicht ansatzweise statt. Der zweite Track "Linceul" ist eine esoterisch-zarte Nummer mit düsterem, lyrischem Charakter, das als Linderung nach dem großen Werk für tiefe innere Ruhe sorgt und doch in der Harmoniefolge aufregend klingt.
Nach den 3 Minuten legen Nil wieder ungebremst los. Das 14-minütige "Dérégénération" hat Komplexität wie die Songs der Labelkollegen Spaced Out. Ein feiner, vitaler Jazzrocker, der wie der Opener viele Harmoniefolgen durchlebt, und von großer Faszination ist. Ob der Komponist dieser beiden Songs wohl die Stücke noch einmal schreiben würde, wenn er bereits vorher wüsste, wie hoch der augenscheinliche Aufwand ist?
Damit nicht genug, ist "198" über 8 Minuten lang fast progmetallisch hart und von kraftvoller dynamischer Gestalt. Das episch angelegte Thema bietet Platz für Soli und findet immer wieder zum Ausgangspunkt zurück, von dem die einzelnen Instrumente zu heftigen Ausflügen loslegen.
"Abandon" im Anschluss hat wieder den Spaced Out Sound. Der symphonische Jazzrock hat eine sanfte Note, aus der stets harte und kompromisslose Ausbrüche stattfinden. Der letzte Track "Dérives" hat eine eigene Note und passt nicht so ganz in das Programm der CD. Über 6 Minuten lang spielen Nil dieses psychedelische, epische Stück mit Entwicklung zum Spacerock entspannt und flüssig.
Nils Eigenart ist die Gitarrentechnik, die in Zusammenarbeit mit Bass und Schlagzeug das extrem dichte Arrangementgeflecht am Pulsieren hält.
Keyboards füllen die pulsierende Figur harmonisch farbig auf und entwerfen das melodische Geflecht der Songs, darauf setzt die Gitarre versierte Soli. So klingen die Songs sehr lebendig und vital. Das macht einen guten Eindruck und wird Prog-Freaks erfreuen.
Ein Punkt, der anzumerken wäre, sind die hier und dort etwas unzugänglichen Arrangements, die teilweise abweisend und kühl wirken, weil ihre Komplexität so extrem hoch und die Harmoniesprache sehr abstrakt sind. Das macht den potentiellen Fankreis enger. Das ist jedoch kein Manko, sondern der eigene Anspruch der Band, extrem komplexe und eigene, progressive Rockmusik zu machen.
Ein Highlight für diejenigen unter den Prog-Freaks, die Jazzrock und Heavy-Prog in abstrakter und besonders anspruchsvoller Musiksprache am liebsten mögen. Tipp!

nilweb.com
unicorndigital.com
justforkicks.de
VM



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