The Night Patrol "The Path" (Eigenproduktion 2008)

Frisches Blut tut gut. Stefan Grob (g) ist zu Michael Vuckovac (dr, perc, keys, mel) und Goran Nicolin (b, g) gestoßen. Das erneuerte Trio zelebriert Progressive Rock auf vitale und grandiose Weise. The Night Patrol haben sich in den Sessions einige kreative und überzeugende Dinge durch die Gehirnzellen und über die Finger gleiten lassen. Mitsamt einiger Gäste, die sporadisch für instrumentspezifische Parts einstanden, haben The Night Patrol vier illustre Songs reifen lassen, vielseitigen und stilistisch weit übergreifenden, vitalen, emotional lustvollen, heavy intonierten, sensibel kraftvollen Progressive Rock eingespielt, der sich ohne Wenn und Aber ins kernige und kraftvolle Erbe des Genres schreiben wird.
"The Path" beginnt mit der zweiminütigen Einführung "Lonely is the world", worauf vier komplexe und heftig rockende Songs folgen, deren zwei es mit King Crimson-mäßigen Instrumentalorgien auf über 10 Minuten bringen, was den Prog-Fan alter Schule mit lustvollem Entzücken erfüllen wird. Die beiden etwas kürzeren Tracks stehen dem nicht viel nach. Saxophon und Gitarre duellieren sich auf aufgeputschter, voluminös explodierender und symphonisch grandioser Basis, Mellotron und Hammond klinken sich gut ein. Hier passieren genau die illustren Dinge, die das Prog-Herz höher schlagen lassen. Und wenn nach einem brachialen Overkill der Bombastfaktor logisch in sich zusammen bricht, sein Zenit plötzlich in die Nacht umschlägt, fällt eine Eiseskälte, die ebenso brillant und in ihrer Stille faszinierend ist, mit fragiler Note darein. Die haben es drauf!
War der Einstand des eröffnenden zweiminütigen Tracks noch die harmonische und melancholisch erbauende Note, auf der die folgenden vier Tracks ihre Kunst eröffnen, was notwendig ist, um der Kraft der voluminösen Musik Einführung und Basis zu bieten, so schließt sich das 42-minütige (!) "Mikrobil", eine Duo-Improvisation von Michael Vuckovac und Stefan Grob, als passable Improvisation beider als Musik für Musiker an.
Zuerst wirkt die aus 16 Teilen bestehende Improvisation etwas langatmig, und gewiss bleibt der Eindruck, dass niemand soviel Hörspaß und Eingang in die etwas verkopfte, weil sehr persönliche Tonalität als die dies spielenden Musiker selbst finden kann. Mit mehrmaligem Hören eröffnet sich jedoch, neben allem technischen und emotionalen, melodischen wie intuitiven Eindruck, erst das Gefühl für diese nicht leicht zugängigen, nichtsdestotrotz effektvollen Ideen wie selbst.
Da haben sich kreative Musiker gefunden, die nicht nur einer gemeinsamen Idee anhängen, sondern miteinander, aufeinander eingehend diese abstrakte, momentane Idee von Musik spielen und die Klänge, nicht zuletzt für den Hörer, weil ihnen gefiel, was sie dabei verspürten, aufzeichneten. Der geneigte Fan kann die Intensivität der langen Improvisationen nicht unbedingt und leicht nachvollziehen und wird sich fragen, warum er sich in diese Schwere einhören soll. Und gewiss, nicht für jeden Hörer sind diese, manche werden sagen, jazzlastigen, um es zu verstehen, abstrakten Duo-Improvisationen nachvollziehbar. Und eben jene werden sich fragen ob es sich lohne, eine CD wegen 36 Minuten grandioser Musik plus 42 Minuten Avantgarde ins Regal zu stellen. Prog ist längst nicht mehr Avantgarde, Prog ist just Unterhaltung. Denen sei gesagt, die 36 Minuten sind genug interessant und kreativ in sich, und die weiteren 42 Minuten ein extravaganter Bonus. Wird sie das überzeugen?
Es sollte. Der erste Teil hat es rock- und progtechnisch gewaltig in sich, es gibt keinen Mainstream, keinen 0815-Prog nach typischer Schiene, und mehr noch, diese 42 Minuten Extra, die öffnen den Kopf für weit mehr. Wer das nicht will, hat schon zugemacht - und verloren.
Zuletzt ist es die Kraft der Musik allein, die überzeugt. Vergesst den Bonus, lasst euch von den ersten 5 Tracks überwältigen. Irgendwann ist der Weg frei für diese wilden, ungeebneten 42 Minuten, die keinen Stil und jeden Stil haben, als ihren selbst, und allein aus ihrer Intuition leben. Vielleicht sind es irgendwann genau diese Impros, die euer Wohnzimmer beben lassen.

myspace.com/thenightpatrol
VM



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