Nevermore - This Godless Endeavor (Century Media 2005)

Warum man 'Enemies Of Reality' vor 2 Jahren so eine Besenkammerproduktion verpasst hat, nur um das Teil vor kurzem als neu gemischte Version wieder auf den Markt zu bringen, geht mir nicht ganz auf. Abgesehen davon hat sich solch einseitige Härte der Scheibe nicht auf das bandeigene Podest, besetzt von 'Dead Heart In A Dead World' hieven können. Auch wenn Nevermore zweifellos geschätzt werden - ihr eindringlicher Genremix war stets voller Ideen, welche das Fass stellenweise zum Bersten brachten. Blickte man kritisch durch die rasiermesserscharfe Oberfläche, erschien ein zerstreutes Zeugnis einer sich nach über 10 Jahren noch nicht ganz schlüssigen Band. Das Element, welches das Ganze über die Summe der Teile stellte. 'This Godless Endeavor' liefert es nach, und sollte sich nichts an der Bandpopularität ändern, müssen wir erneut lamentieren. Jetzt mehr denn je.
An der Marschrichtung hat sich strenggenommen nichts geändert. Es sind Details, die offenbaren, was 'This Godless Endeavor' als ungemein integraleres Album über seine Vorgänger hebt. Gitarren zischen erbarmungslos über eine namenlose, nächtliche Wüste. Eine Atmosphäre, so bedrückend und intensiv, eindringlich durch Warrel Danes unvergleichliche Stimme flankiert. Aber da, wo auf 'Enemies Of Reality' die Härtekeule ihre Vormachtstellung behielt, nimmt sich die Band plötzlich zurück, reflektiert, überlegt es sich anders. Kategorisieren, 'Harte, schnelle Songs', 'Harte, langsame Songs', 'Balladen' - geht nicht. Wohlüberlegt wird textlich und musikalisch gearbeitet, als handle es sich um ein philosophisches Kunstwerk. Nichts scheint auch nur einer spontanen Idee zu entspringen.
Sämtliche Stärken der Band werden fokussiert eingesetzt, Räume zum Atmen geschaffen, Unbehagen gestreut, und schließlich die völlige Entladung der Aggression. Keine Angst also, die Eier haben sie nicht verloren. Was Jeff Loomis aus seinem Sechssaiter rausholt, ist beispielhaft. Kreative, filigran eingewobene Soli und schmetternde Riffs, pfeilschnelles Spiel, dafür auch bedächtige Zurückhaltung; Steve Smyth ist seit einem Jahr als weiterer Gitarrist dabei, ohne den Sound Nevermores zu trüben. Wäre ein Verbrechen.
Insofern ist das einzige, was man Nevermore anno 2005 vorwerfen könnte, ihr Drang nach Perfektion. Sie schleicht sich dort ein, wo sie nicht hingehört, glättet Kanten, die grob bleiben müssten. Doch es ist der Weg einer außergewöhnlichen Band, souverän wie kaum eine andere ihr eigenes Terrain absteckend, ihre Nachbarn dessen ungeachtet völlig überschattend. Ich habe großes Vertrauen.

nevermore.tv
Timo



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