Nathan Mahl "Heretik Volume III - The Sentence" (Mahl Productions 2002)

Nathan Mahl schließen ihre Trilogie HERETIK mit dem 54minütigen Werk "De Mortiis Nil Nisi Bonum (of the dead, speak nothing but good)" in einem Stück ab. Trotzdem die Texte in der Musik von Nathan Mahl alles andere als beliebig sind und moralische Bezüge scharf auf politische und gesellschaftliche Fehler hinweisen, ist auch Heretik III hauptsächlich instrumental geprägt. In relativ kurzer Zeit präsentiert Guy LeBlanc, Kopf, Keyboarder und Komponist der Musikerschmiede Nathan Mahl, die drei Teile der Trilogie. Schon die beiden ersten Werke bestanden vor allem aus langen Stücken, die komplexe und tief ineinander verzahnte Themen auf erstaunlich raffinierte und immer ein wenig spröde und doch symphonisch schwelgerische Weise hervor brachten. Und so bleibt es im abschließenden Teil. Kräftig jazzgetränkt gehen die langen Progressive Rocker völlig unsentimantal vor. Ausgedehnte Soli der Gitarre, des Basses und vor allem der Tasten in verschiedenen Tonfarben verblüffen mit ihrer Vielfältigkeit, ihrem Ideenreichtum und schier logischer Aussagekraft. Rhythmuswechsel brechen die fließenden Strukturen auf, ziehen Themen- und Stimmungswechsel nach sich und bauen die emotionale Balance, auf der sich die Songs in euphorische Höhen schaukeln, dramatische Tonräume aufbrechen oder in melancholische Stille versinken können. Teil III bricht alle von Nathan Mahl gebotenen Grenzen und schlüpft in ein kreuzfideles Gewand, das sich stilistisch im Barock, im Jazzrock oder in Keith Emerson - verwandter Symphonik wiederfindet. Stetig steigert sich, erst unmerklich, dann immer deutlicher, das Werk. Es wird hektischer, kraftvoller. Wirkt quasi wie kafkaeske Berücktheit. Als wollten Nathan Mahl die genialen Gentle Giant übertrumpfen, verkompliziert sich zudem die Musik. Syntheziser-Soli markieren lyrische Punkte, die Entspannung in den harten Rock bringen, nur um von der kraftvollen Band aufgebrochen zu werden. Die stets frische, nachvollziehbare und virtuose Phantasie von Heretik III schärft die Sinne und hält den verblüfften Hörer fest wie ein Magnet. Gerade wenn das Stück sich zu Ende neigt, etwa 12 Minuten noch verbleiben und nach einem sanften Pianosolo die Gitarre derart herb und forsch zur Sache geht, dass Bass/Schlagzeug kraftvoll angetrieben werden, erweist sich höchstes Niveau. Egal, wie lang das Stück ist, Guy LeBlanc und Band reizen immer wieder neue Facetten aus, greifen auf einen nicht leerbaren Pool zurück, aus dem sie sich nach Herzenslust bedienen können. Aber auch die mitreißendste Musik findet ein Ende und die letzten 3 Minuten ebbt die Kraft von Heretik III ab. Ein melancholisches Thema führt mit weiblich lautmalerischer Stimme, zähflüssigen Orgeltönen und poetischer Flöte zum endlichen Schluss. Wie nur, frage ich mich, kann dieses komplexe Gebräu nur komponiert worden sein?! Und vor allem, wird die Band in der Lage sein, diese Themenvielfalt live zu reproduzieren?

nathanmahl.com
VM



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