Moth Vellum "Moth Vellum" (My Sonic Temple, VÖ: 01.02.2008)

Moth Vellum ist ein junger, frischer Beweis dafür, wie lebendig das Genre Progressive Rock ist. Und wie authentisch. Dynamisch, und vital. Die alten, großen Bands der Szene haben weit wirkende Inspiration in nachfolgende Generationen. So starke Inspiration, dass Moth Vellum keine modernen Sounds wie Samples oder Loops in ihren kraftvollen, emotional ausgewogenen, symphonisch-komplexen Songs, nur selbst gespielte, handgemachte Klänge zulassen.
2001 trafen sich Tom Lynham (keys, perc) und Johannes Luley (g, back-voc) in Kalifornien während Aufnahmen zu Lynhams Band Bunnysound und stellten schnell ihre gemeinsame Vorliebe für Progressive Rock fest. Elton John Protege Ryan Downe (b, lead-voc) und Matt Swindells (dr, lead-voc) wurden als Brüder im Geiste gefunden. Moth Vellum war geboren.
Die ersten Demoaufnahmen waren so fruchtbar, dass die Band sogleich mit einem Doppelalbum hätte starten können. Stattdessen setzten sie sich kritisch mit ihrem Songmaterial auseinander, bis diese sechs grandiosen Songs, die das Debüt eine knappe Stunde lang füllen, als erstes öffentliches Lebenszeichen der Band ausgefeilt waren.
Die zwei Leadsänger bringen unterschiedliche Färbungen ein, was dem einen Song Dramatik, dem anderen Leichtigkeit gibt und die Stärke der Arrangements unterstützt. Im dreizehnminütigen "Salvo" gibt es diese düstere, kraftvolle Passage, von druckvollen Rhythmen angetrieben. Aus dieser tiefen Schwere trägt Ryan Downe mit seiner hohen, jugendlich klaren Stimme ein lichtes Thema. Grandios, dieser so leicht und logisch klingende Übergang. Matt Swindell hingegen hat eine rauere, dunklere Stimme. Beide Sänger sind weit von der harten rauen "Rockröhre" entfernt, und beide bringen, mit Johannes Luley als weiterer Verstärkung, eine gewisse Parallele zu alten YES ein, was zudem und überhaupt auch in instrumentalen Arrangements sowie dem Gitarren- und Keyboardspiel deutlich zu hören ist. Moth Vellum haben den guten alten Werken von YES genau zugehört und daraus viel Inspiration bezogen, ohne dem Vorbild jedoch insgesamt zu nahe zu kommen.
Erstaunlich, die lockere, beschwingte Spielweise der Band, die den Songs geradezu Würde und Eleganz gibt. Moth Vellum spielen nie besonders hart, nichts in den Songs ist extrem, "schräg" oder rau. Über allem steht stets diese besondere Intensität der zarten bis (dezent) harten Epen, ein besonderes Händchen für knifflige, harmonisch ausgewogene Arrangements, für ausdrucksstarke, ideenreiche, überraschende Kompositionen, die dynamisch zwischen elegischer Sanftheit und kraftvoller Dramatik schwingen. Die Band hat ein Faible für beschauliche Ideen, für entspannte, klangliche Weite und intensive Lyrik. Selbst in druckvollen Momenten, wenn ein Song seinen Höhepunkt austobt, bleibt diese zurückhaltende Note, der elegische Hauch erhalten.
Johannes Luley spielt traumhafte Arrangements, seine Soli sind Teil der Krönung der Epen. Keyboarder Tom Lynham weiß ebenso melodisch wie mit solistischen Parts zu überzeugen. Ryan Downe und Matt Swindells sind längst nicht nur instrumentale Begleitcrew. Das Rhythmusgeschehen ist kernig und druckvoll, differenziert und locker.
Die Songs sind episch lang. Gleich drei Tracks gehen über 11 Minuten hinaus. Doch nichts wirkt gestreckt oder "auf Länge gemacht". Selbst in dem ambienten Part mitten im ersten Teil von "Against The Suns" schwebt Inspiration und Idee. Schön, wie der symphonische Bombast schließlich auf langer Fahrt daraus erwächst.
"Moth Vellum" ist kein Album für Fans der Extreme, der Heavyness und Schräglage unter den Old School Prog Fans. Es könnte Yes-Fans mit Neoprog-Freunden vereinen. Wenn die Band auch nicht für Neoprog steht, so wird ihre Sanftheit und Lyrik eben gerade auch Anhänger dieses Lagers für sich einnehmen. Bleibt zu hoffen, dass die weitere musikalische Arbeit der Band nicht zum zweiten tendiert, sondern die Untiefen des "alten" Symphonic Prog in eigenem Stil weiter ausschöpft.
Gute Band, tolles Album!

mothvellum.com
VM



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