Morgan Ågren "batterie deluxe" (diskunion 2015)


Der humorvoll wilde Schlagzeuger Morgan Ågren, Hälfte des seit Kindertagen aktiven Duos Mats/Morgan (dessen andere Hälfte Mats Öberg 1998 bereits sein Solodebüt gab [OK, nicht solo, sondern mit der Bigband G.U.B.B.]), gefragter Sessiondrummer, extrem technischer und vielmehr noch verrückt spaßgetriebener Trommler, legt mit "batterie deluxe" sein auf dem japanischen Label diskunion veröffentlichte Solodebüt vor, stilistisch so umfangreich orientiert, dass es kaum greifbar ist. Die 14 Songs sind sehr vielseitig, da sind Jazz, Prog, Ambient, ethnische Klänge, Spoken Word, Electro Avantgarde, und so fort, zu hören. Und doch ist das komplette Album leicht zu begreifen. Denn drin ist nur Morgan Ågren.
Kein Wunder, dass alle Songs enorm rhythmusbetont sind. Doch wer glaubt, der schwedische Wirbelwind setze sich stilistisch oder ästhetisch fest oder spiele puren Avant Jazz Prog, irrt vollkommen. Schon der Klang seines Schlagzeuges ist eigen. Vermutlich spielte Morgan auf seinem elektronischen Set. So klingt es immerhin. Der Klang des Schlagzeuges, zudem die extreme Komplexität seines Spiels - hier ist der Schlagzeuger König. Im Booklet, das überwiegend in japanischen Lettern bedruckt ist und nur in einer kleinen Ecke lateinischen Schriftzeichen Raum gibt, ist zu lesen, dass Morgan Ågren alle Instrumente selbst spielte. Bis auf die, die seine Gäste beitrugen. Dazu gehören Mats Öberg, Morgans Bruder Jimmy Ågren, Devin Townsend, Fredrik Thordendal, Neyveli Radhakrishna, Tina Ahlin, Mamadou Sene und Simon Steensland. Alle Gäste stehen für eigene, markante stilistische Orientierung. Und aller Beitrag fließt so ein, dass daraus Morgans Musiksprache wird. Weder gibt es über weite Strecken Metal, wie er von Thordendal oder Townsend zu erwarten wäre (eher abstrahierte, verfremdete Gitarrensounds), noch Avantgarde im Stile Steensland oder die leichtere Muse seiner Frau Tina.
Es kann partiell erstaunlich eingängig zugehen, etwa in "Elka Deep Phase", das als Electro Jazz auf Techno-Basis enorm tanzbar ist. Viele Songs sind tanzbar. Denn obschon Morgans Schlagzeugarbeit rasant komplex ist, baut er doch stets einen versierten, wenn auch radikal verrückten Groove, der fast ständig zum Tanzen animiert - wenn man die Klänge versteht und sich dazu bewegen kann. Über weite Strecken sind elektronische Sounds bestimmend, begleitet von ethnischen Klängen, Stimmen. Da kommt die russische Sprache zum Vorschein, dann ‚afrikanisch" klingender weiblicher Gesang oder indischer Vokalbeitrag, der fast Rap ist. Doch selbst noch im eingängigsten Electro-Groove steckt die abstrakte Denkart Morgans, die weitaus mehr Jazz als Electro ist, sehr ausgefallen, experimentell und avantgardistisch klingen kann. Ohne der Hörfreundlichkeit weh zu tun. Vieles auf dem Album kann Prog-ungeübten Ohren durchaus gefallen. Mit etwas Anstrengung. Alles fließt auf der rhythmischen Radikalkur leicht und flüssig, gewiss hier und da sehr abstrakt und verrückt, aber stets der Idee, dem Motiv verpflichtet.
Gewiss werden Kenner Morgan Ågrens erst einmal zu tun haben, sich dem Electro-Jazz zu nähern, die Eingängigkeit, Tanzbarkeit und Jazzabstraktion in einem Rausch hinzunehmen. Doch wer das tut, kann erfahren, dass Prog weit mehr als eine Möglichkeit hat, auch in der Zukunft noch wirksam und erfolgreich zu existieren. Als etwaiger Vergleich kann das letzte Mats/Morgan Album herhalten. [schack tati] zeigt die Richtung, die "batterie deluxe" konsequent fortführt.
14 Songs und 50:10 Minuten extravagante, großartig verrückte Musikkunst.
Unbedingte Empfehlung!

morganagren.com
facebook.com/morgan.agren
morganagren.bandcamp.com
VM



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