Missus Beastly "Missus Beastly" (Venus/Nova 1974, Garden of Delights 2005)

Missus Beastly ist eine der interessantesten deutschen Jazzrockbands der frühen 1970er. Diese CD war ihre zweite, die erste hieß ebenso nur "Missus Beastly", was immer wieder zu Verwechslungen geführt hat. Musikalisch hingegen könnten die Platten unterschiedlicher nicht sein. Das erste Album (von 1969) enthält Bluesrock, auf der 74er Scheibe spielen Norbert Dömling (b), Friedemann Josch (fl, ss), Jürgen Benz (as, fl), Lutz Oldemeier (dr) und Dieter Miekautsch (key, Embryo, Missing Link) komplexen progressiven Jazzrock, der melodisch vor allem von den beiden Bläsern (jazzig) und dem Keyboarder (jazzig und klassisch) ausgetragen wird. Alle 7 Songs sind sehr ansprechende, dynamische Teile. Das plötzliche Ende des ersten Stückes "Julia" heizt wie etliche weitere witzige und schön komplexe Parts das Interesse an der grandiosen Scheibe an.
Die Bläserduette und Unisonopassagen sind schön rasant gespielt und zeigen harmonisch stets einen Tick ins Schräge, während Dieter Miekautsch an den Tasten reiche Melodievariationen spielt, die in einigen Momenten stark von klassischer Musik geprägt sind. Der Bass führt die Songs in grandiosen melodischen und enorm spannungsreichen Linien voran, vom differenziert und schön komplex gespielten Schlagzeug begleitet, das in Themenwechseln und Breaks schwere Attacken auffährt und keine Scheu vor kraftvollen Ausbrüchen hat.
Perfekt sind die ausdauernden improvisativen Strukturen, wenn ein Flötensolo über mehrere Akkorde geht und "Geisha" bombastisch mitreißende Lebendigkeit entwickelt. Missus Beastly haben zudem ein Faible für schön schräge Sounds, wie sie die Italiener Area zur gleichen Zeit ähnlich spielten. Überhaupt haben beide Bands gewisse Ähnlichkeiten, wenn Area in ihren genial-radikalen Themen und der verrückt-grandiosen Musiksprache jedoch nicht zu toppen sind.
Witzigster Track ist der Jazzrocker "Paranoidl", dessen emotionale Melodie wieder und wieder variiert wird, bis die Basslinie und die Bläsersätze im Hirn fest verankert sind und nicht mehr weichen wollen. Als Bonus sind drei live am 13.04.1974 live gespielte Tracks enthalten sowie ein Stück von der LP "Open Air Concert Vlotho-Winterberg" von 1975.
Wie stets bei Garden of Delights ist die Platte hervorragend präsentiert worden. Dickes Booklet mit wie stets interessant und detailreich geschriebener Story, Bildern und Diskographie (der Band und markanter Musiker aus der Band mit anderen Bands) sowie relevante Albumcover sind enthalten. Eine CD mit Liveaufnahmen vom 2.9.1974 ist bei Garden of Delights in Vorbereitung, die beiden später, 1976 und 1978 veröffentlichten Platten "Dr. Aftershave and The Mixed-Pickles" und "Space Guerilla" sind bei einem anderen Label auch gerade in Vorbereitung. Tipp!

diregarden.com
VM



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