Miriodor "avanti!" (Cuneiform Records, VÖ: 09/2009)

30 Jahre gibt es die von Pascal Globensky (p, key, synth) und Francois Emond gegründete Band aus Quebec bereits. Globensky ist immer noch mit dabei. Die Besetzung hat sich einige Male geändert, 2005 kam die letzte CD (+DVD) von Miriodor raus, Lars Hollmer (R.I.P.) war damals auf der Bühne (Nearfest) dabei gewesen.
Bernard Falaise (g, b, mand, bj, key), Rémi Leclerc (dr, perc) und Nicolas Masino (b, key, p) ergänzen das aktuelle Line-Up (schon eine Weile), für die Einspielung der sieben Songs des neuesten Streiches waren drei Gäste mit im Studio, die mit Blechgebläse für reichhaltigen Sound gesorgt haben.
Miriodor gehen ihre neuen Songs erstaunlich lässig an, fast ist der Sound fahrlässig unterkühlt und schlapp zu nennen, so wenig Energie scheint darin zu stecken. Die Kompositionen dümpeln in gemächlichem Trott vor sich hin, die Themen entspannt und geduldig ausbauend, von Solo zu Solo, Struktur- zu Strukturwechsel schlendernd. Nichts ist schnell oder hastig, nichts hektisch oder hart, nichts aufputschend oder in den aufgedrehten Sog ziehend. Die rein instrumentalen Songs sind zudem erheblich länger als zuletzt üblich von der Band, womit sie fast wieder am Anfang ihrer Karriere angekommen sind. Und da sind auch tatsächlich so einige Punkte, die aus der ganz alten, ersten Band in die aktuelle schwappt. Verschnörkelte Melodieorgien wie von Gentle Giant inspiriert, der stete Wechsel des führenden Instrumentes mit filigran ausgearbeiteter Begleitung des genüsslich jede ungerade Note nutzenden Ensembles in der verspielten Begleitung. Der schelmische Humor der Samla Mammas Manna schaut mehr als einmal vorbei, und alles ist in diese verrückte Lässigkeit gepackt.
Doch die Lässigkeit täuscht. Miriodor haben es faustdick hinter den Ohren, schleifen ihre Zuhörer erst wie der Rattenfänger aus Hameln in ihre Songs (der nie schliff…), und kippen schließlich ihre avantgardistische Schrägheit aus, dass nur Verwirrung bleibt. Zuerst fängt das so unscheinbar und wie nebensächlich an - und dann macht es ein Mega-Fass auf!
"avanti!" - die Platte ist alles andere als das - klingt wie die Neuerfindung der Band. Trotz retrospektiver Orientierung und erhöhter Komplexverspieltheit.
Kommt vor, dass es den Anschein macht, eine Band, die schon sehr lange und noch immer aktiv ist, sei wie aus Versehen noch existent. So Miriodor. Nie aufgelöst, immer weiter gemacht, trotz verschiedener stilistischer Musikwetterlagen haben sie jeden Husch und jede Durststrecke überlebt, sind immer noch kreativ und klingen inspirierter als in den Neunzigern.
Keine Ahnung, wie die das machen. Und manchmal ist es anstrengend, die Nonchalance mit Interesse zu begutachten, während schon die kleinen Soundexplosionen beginnen. Wieso nur lassen sie diese exzellenten Schräglageideen so selig bedröhnt vorüber schleichen? Das wäre eine Mordsorgie für Extremradikalbrachialos mit Monsterbass und die Songs in drei Minuten ausgetobt. Sollte nicht sein. Ist auch so nicht schlecht so. Die Band geht ihren angejahrten Weg mit knüppeldickem Ideensack und überwältigt trotz erwachsener Gemächlichkeit.
Als wär's Avantrock-Swing, der seine Komplexe lässig vor sich hin schübe. Nix Swing, alles Rock. Folk-Avant-Jazz-Rock-Prog. Oder so. Gut, aber das Debüt ist ungeschlagen.

miriodor.com
cuneiformrecords.com
VM



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