The Michael Treni Big Band "Boy's Night Out" (The Bell Production Company, 17.04.2012)

Michel Treni ist kein Neuling im Jazz. Bereits in den 70er Jahren war der studierte Jazzmusiker aktiv, arbeitete in diversen Ensembles, war an vielfältigen Produktionen und Projekten beteiligt. Für sein eigenes Ensemble, das Jazz Horizons Orchestra, schrieb er 1978 "Boys Night Out", das sein jüngstes Album, nach der ‚Wiedererweckung' das nun bereits schon vierte Album, und ein jedes reiht sich in kurzen Abständen wie Perlen aneinander, betitelt. Ende der 1980er Jahre verlor er für zwei Jahrzehnte das Interesse, Jazz professionell zu betreiben und widmete sich audiophiler Technik. Seine Arbeit brachte ihm zwei Patente in kabelloser Technologie ein. Doch seine eigentliche Passion kam mit Verve zurück und mit großem Big Band Ensemble legt er nunmehr Jahr um Jahr ein neues Album vor.
Die Big Band Arrangements der acht ausgedehnt langen Stücke auf "Boy's Night Out" sind klassischer Struktur. Die Zeit scheint wundersam stehen geblieben. Keine modernen Einflüsse sind zu hören, weder in den Kompositionen, in den Arrangements, noch in der Spielweise der Musiker. Kein Einfluss ab 1966. Die Alben könnten glatt aus der großen Zeit des Big Band Sounds stammen, Ende der 1950er Jahre etwa. Einflüsse von Duke Ellington sind nicht zu überhören. Doch ist es nicht Trenis Intention, einem Meister wie Woody Herman nachzufolgen, der als grandiosester Bigband-Komponist und -arrangeur zu unerreichbarer Größe fand, einen eigenen, unglaublich rasanten Stil kreierte. Treni steht zwischen Moderne und Tradition, so ist manches Bandinterplay von solistischen Höhenflügen gekennzeichnet, das zu vital-expressiver Extravaganz und strikter Moderne führt, ebenso gibt es von Streichern begleitete Passagen, die für moderne Geister als Kitsch gelten können, ganz alter Inspiration sind, und aus heutiger Perspektive fast schon filmmusikartigen Charakter haben, amerikanische 50er Jahre wiederaufleben lassen, als Musiker in eleganten Anzügen weit entfernt von allem lebten und öffentlich auftraten, was ab Mitte der Sechziger für Explosion und Furore sorgte.
Die den Songs zu Grunde liegenden Themen sind angenehm zeitlos, die führenden Arrangements flüssig und locker, die Band hat es versiert und geübt in der Hand, einen jeden Ton süffig und elegant klingen zu lassen. Soloausflüge und komponierte wie improvisative Bandinterplays sind das besondere Etwas, die Exegese der komponierten Themen, blues-satte Bläserintermezzi, und während ein Solist seinen Part spielt, untermauern die anderen Bläser mit rhythmischen Akzenten den swingenden Raum. Erstklassig die drahtig energische Rhythmusabteilung, der Bassist übt sich in Erdung, vom Pianisten unterstützt, wenn der sich nicht in die melodisierende Meute stürzt, dezente Latin-Perkussion groovt im Off, während das Schlagzeugspiel kraftvoll zwischen Zurückhaltung und donnerndem Preschen wechselt, ganz nach Thema und Temperament.
Die Chemie stimmt, die Maschine läuft. Die Klassiker ("Something's Coming" [Leonard Bernstein], "Lullaby Of Birdland" [George Shearing], "Here's That Rainy Day" [Jimmy Van Heusen]) und alle neuen und eher weniger bekannten alten und älteren Stücke klingen wie aus einem Guss, kernig und lebhaft arrangiert, perfekt gespielt. Lediglich die Streicherarrangements, die nicht, längst nicht in allen Stücken vorkommen, haben Patina. Da jedoch das klare, moderne Klangbild jedes Instrument, jeden Ton vital und dynamisch präsentiert, und keine pseudohistorischen Memoiren ihre nostalgische Medizin verabreicht, bleibt alles im grünen Bereich.
Kleine Empfehlung ganz nebenbei: die wohl ‚progressivste' Big Band - Veröffentlichung war ein Doppelalbum des Jazz Orkestar Radio-televizije Beograd unter Dirigent Vojislav Simi? (auch auf CD erhältlich), 1978 auf dem Festival Européen Du Jazz aufgezeichnet. Der reine Wahnsinn!
Sorry für das kleine Nebenbei, Michael Treni. And thanks a lot!

bellproductionco.com
cdbaby.com/artist/MichaelTreni
VM





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