Metal Night - Live am 25. September in den Räumen des Rock & Popvereins Wiesloch


Bevor ich konkret auf die musikalischen Darbietungen dieses Abends eingehen werde, möchte ich einige Worte über den Rock & Popverein Wiesloch verlieren, der sich offiziell Verein zur Förderung der Rock & Popmusik Rhein-Neckar e.V. nennt, vor ca. 20 Jahren gegründet und vor einigen Jahren runderneuert wurde. Die sehr übersichtlich und informativ gestaltete Website gibt Zeugnis des regen Vereinslebens; der ungefähr 200 Mitglieder zählende Verein widmet sich der Nachwuchs-Förderung und veranstaltet in regelmäßigen Abständen Konzerte, Parties und Workshops. Untergebracht ist der Verein in ehemals zum Freibad Wiesloch gehörenden Räumen, die man von der Stadt gepachtet hat - die Toiletten teilt man sich mit den Besuchern des Freibades - wobei das Ambiente sehr gepflegt, aber in keiner Weise chlorig-antiseptisch rüberkommt. Es ist Clubatmosphäre angesagt; mancher "Rockschuppen"-Betreiber würde beim Rundgang durch das Areal Bauklötze staunen, die er dann sogleich seinem Schuppen einverleiben könnte, um im direkten Vergleich nicht gänzlich abzustinken. Erinnerungen an die Achtziger Jahre, die Gründerzeit des Heavy Metal, als dieser sich vom Bestandteil der Subkultur zum Massen-Phänomen wandelte, werden wach, wenn man im Konzertraum steht; ein solch um Authentizität bedachtes Flair habe ich selten erlebt - große Klasse und eine echte Empfehlung. Es ist immer wieder erstaunlich, welche Juwelen die vermeintliche Pampa beherbergt. Total beschämend war allerdings die Publikums-Resonanz; es waren vermutlich mehr Bandmitglieder anwesend als zahlende Gäste und dies bei einem lächerlich geringen Eintrittspreis von 6,- Euro. Als Opener standen die Lautrar Buwä von Tridentifer auf der Bühne, die an diesem Abend nur zu viert, ohne einen Mann an der Bassis spielten. Trotzdem gab es keine Sound-Löcher zu vermelden und alles war in grünen Bereich bis auf die Tatsache, dass in dieser Band gleich zwei Mitglieder sitzende Tätigkeiten ausübten. Zunächst mag es etwas verwundern, wenn sich ein bärenstarker Front-Guturali, der wie eine humanoide Ausgabe des pangalaktischen Donnergurglers mit bellcantösen Anwandlungen anmutet, auf einem Stuhl sitzend einen Wolf grunzt, aber diese Sitzung resultierte aus einer Verletzung und im Verlauf des Auftritts stand auch er seinen Mann.
Absolut sympathisch rüber kam die original pälza Gosch, mit welcher der Fronter die Songs, die sich mehrheitlich im Proto-Death-Stadium bewegten und von Anleihen an Slayer und Konsorten geprägt waren, ankündigte. Sogar Wortspiele gab es in diesem Zusammenhang zu hören, was beweist, dass die Jungs sich keineswegs verbissen ernst nehmen und "böse" geben, wie dies im Death Metal-Sektor mehrheitlich U(r)sus ist. Chuck Schuldiner, das universelle Bewusstseinsfeld hab ihn selig, hätte seine helle Freude an Tridentifer gehabt, auch weil diese Band sogar doomig anmutende Stücke, die tonnenschwer durch die Boxen waberten, zum Besten gab. Nach einer Zugabe und einem ultrakurzen Soundcheck herrschte auf der Bühne das Grauen, denn nun waren die Lokal-Matadoren und Headliner der Herzen Demento an der Reihe - bis auf den Sänger allesamt in Ehren ergraute Herren fortgeschrittenen Mittelalters, die sich einer höchst originellen Variante progressiven Extreme Metal verschrie(b)en haben. Eine Horror Show von berückender Qual-I-tät wurde geboten, die mir andauernd wohlige Schauer über den Rücken jagte, wie sich im Verlauf des Auftritts herausstellen sollte. Würde die Uhr um 30 Jahre zurückgedreht, hätte Karl-Ulrich Walterbach nicht in die texanische Ferne schweifen müssen, um die Koryphäen von Watchtower unter Vertrag zu nehmen; das Gute liegt (in vielen Fällen) so nah - wie war (und ist) das noch mit den Pro(g)pheten im eigenen Land? Abgesehen von den exorbitanten technischen Fähigkeiten sämtlicher Musiker - eine derart komplex und dennoch stringent agierende Rhythmusgruppe, bei der jede gespielte Note (und Pause) ihre inhärente Bedeutung hat, habe ich im Metal-Bereich seit Äonen nicht mehr erlebt - zog mich die Performance des Sängers sofort in den Bann; seine wilden und die überaus gesellschaftskritischen Textaussagen der Songs untermalende Mimik und Gestik erinnerten an den jungen Devin Townsend - wehe, wenn er losgelassen. Nicht nur die Musik, sondern auch die Texte (in puncto Form und Inhalt) sind wahre Kunstwerke, über die man sinnierend-reflektierend sogar promovieren könnte. Die Arrangements sind für Watchtower-Fans sehr süffig gehalten, wobei es absolut despektierlich wäre von Watchtower light zu sprechen, würde dies den Wieslochern doch in keiner Weise gerecht werden. Obwohl ebenfalls Einflüsse von Confessor, Cynic, Atheist, Sadist, Sanctuary oder den späten Death auszumachen sind, muss man im Falle Dementos ganz klar von einem Original sprechen. Auch wenn ich ein großer Bewunderer der texanischen Ausnahme-Musiker bin, muss ich eingestehen, dass die Wieslocher es besser als die Türmer verstehen,
den roten Faden innerhalb der Stücke dicht und dennoch stets nachvollziehbar zu weben. Somit dürften bei weitem nicht so viele Normal-Metaller türmen wie bei Watchtower, wenn sie mit dem Klängen von Demento konfrontiert werden. Neben Original-Kompositionen erfreute die Band ihr euphorisches PubLikum mit einem Faith No More-Cover. Eine klasse Idee, denn ich kenne nicht eine einzige Band, die Stücke der Pattoners nachspielt, natürlich hier in einer dementös eingefärbten Version. Selbst einen ganz neuen Song, der noch niemals zuvor live gespielt worden war, brachte die Band zu Gehör und präsentierte ihn so stark, als sei er schon viele Jahre fester Bestandteil des Programms. Demento haben in mir einen Fan-Boy mehr (oder zumindest das erste Exemplar dieser als Homo metallicus freakiens bezeichneten und vom Aussterben bedrohten Art); allerdings sollte jeder qualitätsbewusste Hard&Heavy-Fan des Erdkreises diese Band kennen. Liebe auf den ersten Ton wird die unvermeidliche Folge eines solchen Kennenlernens sein. Für weiterhin erwähnenswert halte ich die Tatsache, dass der Demento-Basser ein Projekt zusammen mit Sean Malone am Laufen hat, über das vermutlich bald mehr verlautbart werden wird. Den Abschluss bildete die aus Argentinien stammende Band Nemessiahs, die man auch als Opeth's Apprentice bezeichnen könnte. Stetige Wechsel von Klargesang und Growls sowie zarten und harten Instrumental-Passagen kennzeichnen die Musik der Argentinier. Da diese Band noch ziemlich jung ist, wundert es nicht besonders, dass so mancher Titel etwas unausgereift klingt. Gespielt wurde unter anderem ein Dreißigminüter, bei dem besonders deutlich wurde, dass der Trommler mit einer euphemistisch formuliert ziemlich unorthodoxen Auffassung von Timing und Groove nach dem Motto "Pupptes On Acid" agiert, was die patchworkartigen Stücke häufig zu Häuflein aus Schwarzpulver zerbröselt, anstatt sie zu homogenisieren. (Vor allem aufgrund von too many notes - black drum sheet = black drum shit - of the drum set player, der mir wie ein Schäfer erscheint, der seine riesige Herde in Ermangelung eines Schäferhundes nicht unter Kontrolle halten kann.) Ultrahocherhitzt strampelt und haut er sich durch ein Notendickicht und hat seine liebe Not, den Takt zu halten und so etwas wie einen rhythmischen Puls entstehen zu lassen. Eine explosive Mischung, die nicht nach jedermanns Geschmack ist; zumindest bei mir zünden die Songs nicht wirklich. Der insgesamt betrachtet gute Sänger, der außerdem noch Gitarre spielt und zur Rolle des Frontmannes aufgrund des Verlustes des etatmäßigen Sängers kam wie die Jungsau zum Rind, und die beiden anderen Musiker an Gitarre und Bass konnten dieses Debakel nicht wettmachen. Da die Musik mit dem Schlagzeuger steht und fällt, wüsste ich, was ich als Kopf der Band zu tun hätte. Insgesamt betrachtet ein höchst interessanter Abend voller neuer Eindrücke und eine weitere Band, dazu noch von umme Ecke, die in meinen persönlichen musikalischen Olymp aufgestiegen ist, was will man mehr... doch, ich wüsste schon was: Eine neue CD von Demento!!!

Frank Bender




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