M.E.A.N. "Helden aus einer fernen Zeit" (esc records, 20.09.2013)

Schöner Auftakt! Das bärbeißige Thema mit countryesker Gitarre und murmeligem Rhythmus wird von der übergreifend brassigen Schräglage der Trompete eingeholt. Die Aufmerksamkeit gehört M.E.A.N. Und während die Band in ihren Opener steigt und auf differenziert fabelhaftem Schlagzeugrhythmus mit Groovebass und kratziger Trompete (samt Schalldämpfer) soliden und ergreifend vitalen Post Fusion Post Post Neo Bop (oder so) zelebriert, die Gitarre ihr allerfeinstes erstes Gitarrensolo aus den Boxen spuckt, kann im Booklet die locker erzählte Story der einzelnen Songs nachgelesen werden, und wer will, darf seine Lieblingsstadt/seinen Lieblingsort eintragen.
Die instrumentalen Tracks der Leipziger Band, in der Jacob Müller (e-b), Dominique Ehlert (dr), Martin Auer (tr) und Werner Neumann (g) illuster und kraftvoll arbeiten, haben ihre komponierte Basis und schön weite instrumentale Ausläufe, so dass die einzelnen Songs (mit Ausnahmen) zwischen 6 und 8 Minuten brauchen, alles zu erzählen, was zu erzählen ist.
Solistisch macht niemand Gitarrist Werner etwas vor, der mit Jazzrock- und Jazz-Wassern gewaschene Saitenhandwerker hat ein gutes inspiratives Gespür für rasante Sololäufe und Impro-Parts, seine komponierten Läufe sind zurückhaltend, längst nicht seine Ausritt ins Wilde. Trompeter Martin ist ganz Funk und Jazz, setzt kantig bratzige Läufe, schnelle, kurze Melodieeinbrüche, markante Eckpunkte oder lautes Überschießen, sehr gut. Schlagzeuger Dominique spielt großartig vertrackt, kein Stück schlicht, stets das Thema und seine Energie bestimmend, ohne sich auf die reine Basis zurückzuziehen. Was er spielt, mischt im melodischen und ausgeflippten Rahmen mit. Bassist Jacob hat den unauffälligsten Part, sein Einsatz erdet die Improvisateure, legt den Teppich, auf dem die Crew tanzt. Seine Soli bersten nicht, sondern fegen aus Funk und Jazz abstrakte Melodien.
Balladeske Melancholien werden intoniert, im Post Fusion Kleid, voll Lyrik und Sanftmut, die ins Poppige aufbrechen können, hier zu Funk mutieren und dort kraftvoll rocken. Den kernigsten Einsatz für die Rockbetonung bringt die virtuose Bass/Schlagzeug-Vitalität, der immer wieder die Trompete mit rhythmischen Stößen zur Seite steht. So schräg vital wie im Opener wird es nicht noch einmal, aber - die Lokomotive dampft unter hohem Druck bis zum Ziel.
Ab und an weht so ein nachdenklicher Miles Davis Hauch vorüber, klingt dessen 80er Spielart an, doch die Band steigt nicht in den Sound ein, und das Trompetenspiel geht eigene Wege.
Bester Track ist meiner Meinung nach das fusioneske "Tell your mother", von dem das Booklet meint, es sei aus Queens "tie your mother down" und Zappas "my guitar wants to kill your mama" geprägt. OK, das ist kaum nachzuvollziehen. Eher klingt der Track nach tschechischen Jazzrockern der frühen Siebziger, und hier geht der Bass in die Vollen, ist Hauptakteur, der die Note prägt und die enorme Spannung perfekt am Laufen hält (großartig von der Gitarre unterstützt). Kein weiterer Song ist so stark aus den 70ern gespeist, vielmehr scheint es, als würden Endsiebziger Postbop und Achtziger Electric Jazz in moderner Komplexrockkante zelebriert. Der Drive ist enorm, die Laszivität der Kompositionen tief, das handwerkliche Spiel großartig, die Soli bannend.
Ich wünschte mir mehr verrückte und abgedrehte kompositorische Ideen und schräge Brüche, der Schlagzeuger geht da schon einmal vor. Doch so wie die "Helden aus einer fernen Zeit" geschnitzt sind, werden sie blühende Landschaften erschaffen!

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VM





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